Sokrats für Manager
wichtige Trends wie Klapp-Handys oder Handys mit Kamera, Farbdisplay und MP3-Spieler verschlafen zu haben. Als BenQ nur ein Jahr nach dem Kauf der Sparte der Produktion in Deutsch-land den Geldhahn zudrehte und die verlustreiche Tochter Insolvenz anmelden musste, war der Aufschrei groß. Siemens wurde beschuldigt, sich so auf indirekte Weise seiner Mitarbeiter aus dem Handy-Bereich entledigt zu haben. Siemens -Manager und der Aufsichtsratschef und langjährige Vorstandsvorsitze Heinrich von Pierer reagierten dagegen überrascht über das plötzliche Aus für den deutschen BenQ -Produktionsstandort. Dies ist ein typisches Beispiel für die Komplexität von Nichtwissen: Trends wurden verschlafen und keiner rechnete damit, dass der gesamte Siemens -Konzern deshalb einmal im Kreuzfeuer der Kritik stehen würde. Entweder wusste Siemens wirklich nicht, dass es BenQ wahrscheinlich vor allem um die Siemens -Patente ging und man danach die deutsche Produktion ziemlich schnell dicht machen würde, oder Siemens war sich nicht bewusst, welch ein immenser Image-Schaden für das Gesamtunternehmen aus der Affäre erwachsen würde. Oder vielleicht gab es sogar Nichtwissen in beiden Punkten. Dieses Beispiel ist zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Buches gerade aktuell, aber bei Weitem kein Einzelfall. Täglich gibt es in der Wirtschaft Triumphe und Niederlagen, Erfolge und Versagen und praktisch immer ist automatisch Nichtwissen im Spiel. Denn hätten Siemens und andere Verlierer gewusst, was auf sie zukommt, hätten sie höchstwahrscheinlich anders gehandelt.
Werden Sie Experte im Nichtwissen
Wo gibt es spezifisches Nichtwissen im Management? In vielen Bereichen. In unserer weltweit ver-flochtene Wirtschaft nimmt die Überschaubarkeit der Gegenwart und die Vorhersehbarkeit der Zukunft kontinuierlich ab. Analysieren Sie einmal im Stillen Ihren eigenen Aufgabenbereich, Ihr Unternehmen, die Wirtschaft und das Leben an sich aus der Perspektive des Nichtwissens. Jeder Mensch, der das tut, wird erstaunt sein. Es gibt so vieles was wir nicht wissen, so viele Überzeugungen und Vorstellungen, die wir, wenn wir sie einmal hinterfragen, nicht wirklich begründen und belegen können. Vieles haben wir einfach von anderen übernommen, ohne es jemals selbst überprüft und durchdacht zu haben. Ein Weg, im Alltag unser eigenes Nichtwissen besser zu erkennen, liegt darin, das öfter auftreten-de schwammige Gefühl, da sei etwas nicht stimmig, nicht einfach zu ignorieren. Sokrates hatte es sich zum Prinzip gemacht, solche Zweifel nicht einfach zu ignorieren oder vor anderen zu überspielen. Nach längerer Diskussion mit Kritias über das Wesen und den Nutzen der Besonnenheit, bekam Sokrates plötzlich das mulmige Gefühl, dass die Diskussion nicht in die richtige Richtung ging. Oh-ne Zögern gab er das zu, wie er selbst berichtete: »Ich glaube wohl, sagte ich, dass ich fasele; aber doch muss man, was einem vorschwebt, in Betrachtung ziehen und nicht leichtsinnig vorübergehn, wenn einem auch nur im Mindesten an sich selbst etwas gelegen ist.« Sobald Zweifel aufkamen, bot Sokrates sofort Einhalt. Er war davon überzeugt, dass man es sich als Mensch selbst schuldete, keine Zweifel einfach stehen zu lassen. Lasse Zweifel niemals unbeachtet.
Wer fragt, der führt
Angesichts des zunehmenden Konkurrenzdrucks in den Unternehmen, kommen vielen Zweifel daran auf, ob ein Managen wie bisher nicht doch allmählich an seine Grenzen stoßen wird. Immer mehr Unternehmen, auch große Konzerne, erleben in vielen Bereichen Misserfolge oder geraten sogar in existenzbedrohende Krisen. Und das ist erst der Anfang. Wenn Länder wie China, Indien oder Brasilien erst einmal zu ihrer vollen Stärke aufgelaufen sind, wird sich die Unsicherheit wesentlich verstärken. Die Zukunft wird uns noch viele Fragen aufwerfen, deshalb bringt es einen deutlichen Wettbewerbsvorteil und letztendlich einen Wissensvorsprung, wenn wir heute schon lernen, für unser Nichtwissen offen zu werden und effektive Wege zu seiner Überwindung zu finden. Wie aber sieht die heutige Realität in den Unternehmen aus? Haben Sie jemals in einem Meeting den Satz gehört »Das weiß ich nicht?« Haben Sie ihn jemals vor Kollegen oder gar Vorgesetzten ausgesprochen? »Wir sind noch dabei, das zu eruie-ren«, ist da wohl noch das weitgehendste Zugeständnis. Wie aber steht es mit »Daran habe ich noch gar nicht gedacht«? Die meisten Unternehmen haben eine Kultur, in der ein Eingeständnis von
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