Sokrats für Manager
Nichtwissen. So wird zum Beispiel durch geschicktes Nachfragen deutlich, dass eine Person oder ein Unternehmen noch immer gravierende Wissenslücken besitzt. An diesem Punkt ist es noch nicht wichtig, festzulegen, ob dieses Informationsdefizit auf realistische Weise überwunden werden kann, etwa durch gezielte Marktforschung, oder ob die jeweilige Entscheidung unter Berücksichtigung des jeweiligen Nichtwissens gefällt werden muss. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, spezifische Wissenslücken klar und deutlich offen zu legen und nach sinnvollen Antworten zu suchen. Spezifisches Nichtwissen erleichtert den Erwerb von relevantem Wissen, da wir wissen, welche Informationen fehlen – wir kennen also die Fragen – oder aber es ermutigt, auf die Füllung der Wissenslücken bewusst zu verzichten, wenn dies zu viel Aufwand und Kosten verursachen würde. Es gibt aber auch unspezifisches Nichtwissen. Wir kennen dann nicht einmal die Fragen. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung des Internets. Wer hätte wirklich im Voraus wissen können, wie sehr das World Wide Web unsere Welt verändern wür-de und es immer noch tut. Bei den meisten Managemententscheidungen besteht immer ein Rest-risiko, weil niemand alle Faktoren kennen kann, die den Ausgang beeinflussen können. Es hilft bei der Entscheidungsfindung, diese »weißen Flecken« zu berücksichtigen. Ein solch unspezifisches Nichtwissen hat vor allem bei Zukunftsfragen eine besondere Bedeutung: Niemand weiß genau, was die Zukunft bringen wird. Mit Hilfe von »Worst-Case-Szenarios« oder »Best-Case-Szenarios« können wir aber manchmal abklären, was die Zukunft höchstwahrscheinlich bereithält. Sokrates hat seine philosophische Arbeit unter Berücksichtigung beider Arten von Nichtwissen ausgeübt. Zum einen hat er immer hartnäckig nachgefragt, wenn ihm zum Beispiel eine Definition eines Begriffes nicht konkret genug war. Er hat also darauf gepocht, spezifisches Nichtwissen gezielt zu überwinden. Auf der anderen Seite hat er aber auch unspezifisches Nichtwissen eingesetzt. Als er im Alter von 70 Jahren der Gotteslästerung und der Irreführung der Jugend angeklagt wurde, begründete er seine Gleichgültigkeit gegenüber einem möglichen Todesurteil damit, dass kein Mensch wisse, wie ein (mögliches) Leben nach dem Tod eigentlich aus-sieht. Da dies niemand wisse, mache es auch keinen Sinn, sich vor dem Tod zu fürchten, denn mit ihm könnten schließlich auch positive Aspekte verbunden sein. So entgegnete Sokrates nach seinem Todesurteil den Richtern: »Jedoch – es ist Zeit, dass wir gehen: ich um zu sterben, und ihr um zu leben. Wer aber von uns beiden zu dem besseren Geschäft hingehe, das ist allen verborgen außer nur Gott.«
Bereiche des Nichtwissens im Management
Jeder Manager sieht sich vor die Aufgabe gestellt, seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Dazu muss er den Markt kennen sowie die Möglichkeiten und Begrenzungen des eigenen Unternehmens. Und er muss aus diesem Wissen effektive Strategien für das Unternehmen mitentwickeln und zu deren erfolgreicher Umsetzung beitragen. Fehler entstehen dort, wo entweder falsche Vorstellungen über die Marktrealität oder die Unter-nehmenskapazität vorherrschen oder wo unzureichende Problemlösung und Chancenwahrnehmung betrieben werden. Entscheidend zur Vermeidung von Fehlentscheidungen trägt daher eine Identifi-zierung von Nichtwissen in zwei unterschiedlichen Bereichen bei.
Nichtwissen über Wahrnehmungsdefizite
Richtige Entscheidungen setzen in der Regel korrekte Informationen über die externe und interne Umwelt voraus. Vor wichtigen Entscheidungen versucht ein verantwortungsvolles Management na-türlich, alle relevanten Informationen zu sammeln und sich fachkundigen Rat einzuholen. Trotzdem werden immer wieder Fehler gemacht. Eine wesentliche Fehlerursache liegt dabei in Wahrnehmungsdefiziten. Erfolge und Misserfolge der Vergangenheit können falsch interpretiert werden. Zum einen ver-hindert das wichtige Lerneffekte, falls Fehler der Vergangenheit nicht richtig erkannt werden. Zum anderen können aber auch Erfolge in der Vergangenheit ein trügerisches Sicherheitsgefühl bewirken: Entscheidende Veränderungen werden nicht wahrgenommen oder man sieht sich gar nicht veranlasst, überhaupt auf Veränderungen zu achten. Wahrnehmungsdefizite entstehen ebenfalls, wenn das gegenwärtige Marktgeschehen sowie die aktuelle Situation im Unternehmen falsch einge-schätzt werden oder erst gar keine
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