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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Seite, um einer Pfütze auszuweichen.
    »In Boston, das ist eine Stadt im Staate Massachusetts, gibt es einen Fabrikanten namens Albert Augustus Pope. Er stellt Räder als Massenware her. Bei den deutschen Fahrradproduzenten ist er in aller Munde. Die meisten verachten ihn, weil er seine Velos größtenteils von Maschinen produzieren lässt und nicht von Menschen. Es gibt aber auch welche, die sprechen bewundernd von ihm, weil niemand auf der ganzen Welt so viele Fahrräder so günstig herstellt und verkauft wie er. Man spricht von dreißigtausend Rädern pro Jahr, ist das nicht unglaublich?«
    »Und was hat das mit dir zu tun?« Obwohl sich Jo bemühte, gelang es ihr nicht, auch nur einen Hauch von Interesse oder gar Begeisterung in ihre Stimme zu legen. Sie ahnte, was kommen würde.
    Adrian blieb unter einer Gaslaterne stehen und sagte leichthin, als handle es sich um einen Ausflug an den Wannsee: »Ich schau mir die Fabrik an, und wenn mir die Räder gefallen und sie wirklich so günstig sind, wie es heißt, möchte ich sie nach Deutschland importieren. Ein Fahrrad für unter hundert Mark – erinnerst du dich?« Er lächelte spitzbübisch.
    Josefine war nach nichts weniger als nach Lächeln zumute. »Aber Amerika liegt am anderen Ende der Welt! Und Schiffsreisen sind gefährlich. Du wärst eine halbe Ewigkeit fort …« Am liebsten hätte sie noch viel mehr gesagt. Verlass mich nicht. Das Frühjahr steht vor der Tür, danach der Sommer, wer soll dann mit mir Velo fahren? In Deutschland gibt’s doch auch Fahrradproduzenten! Doch welches Recht hatte sie, in dieser Art mit ihm zu reden?
    Als könne er ihre Gedanken lesen, sagte Adrian: »Die deutschen Fahrradhersteller sind zu unflexibel, sie beharren auf Handarbeit statt auf maschineller Herstellung, mit ihnen komme ich nie ins Geschäft. Ich muss nach Amerika. Meine Passage habe ich schon gebucht, ich werde wie gesagt noch vor Ostern aufbrechen.«
    »Aber …«, hob Jo hilflos an, »was sagen denn Isabelle und deine Familie dazu?«
    Adrian schnaubte. »Isabelle habe ich heute Nachmittag in meinen Plan eingeweiht. Sie ist überglücklich, und sie hofft, dass die Hochzeit damit vom Tisch ist. Und mein Vater … Ich werde ihm einen Brief dalassen, in dem ich alles erkläre.«
    »Ein Brief – ist das nicht ein bisschen feige?« Josefine runzelte die Stirn. »Warum erklärst du ihm nicht einfach, wie die Dinge liegen?«
    »Du kennst Vater nicht«, sagte Adrian bitter. »Er würde jedes Wort, das ich sage, fortwischen wie einen nassen Fleck, nie würde er mich freigeben, dazu passe ich viel zu gut in seine Pläne.« Er nahm ihre Hände in seine, blickte ihr tief in die Augen und sagte: »Es ist der einzige Weg, glaub mir! Wenn es mir gelingt, diesen Importhandel aufzubauen, bin ich frei von allen Zwängen. Frei für dich …«
    Seine letzten Worte waren wie ein warmer Atemhauch auf ihrem Gesicht. Frei für dich …
    Der Halensee, der am Ende derselben Straße lag, in der auch das Vereinsgelände angesiedelt war, kam in Sicht. Wortlos und Hand in Hand, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, spazierten sie auf eine der Bänke zu, die um den See standen. Adrian breitete seinen Wollschal auf der Bank aus, und als sich Josefine gesetzt hatte, sagte er: »Ich liebe dich, Josefine.«
    »Und ich liebe dich auch«, antwortete sie schlicht.
    Das einfache Eingeständnis dessen, was sie beide schon lange wussten.
    » Dich möchte ich heiraten, nicht Isabelle!«, fuhr Adrian heftig fort. »Aber das kann ich erst, wenn ich auch für dich sorgen kann, so, wie es sich für einen Mann gehört. In dem Augenblick jedoch, in dem mein Vater erfährt, dass ich nicht gewillt bin, Isabelle zu heiraten, wird er mich in hohem Bogen aus der Firma werfen. Dann stehe ich ohne einen Pfennig Geld da. Ich hätte dir nichts zu bieten, verstehst du? Eine für mich unerträgliche Vorstellung. Diese Reise unternehme ich allein für dich … Wenn ich im Herbst zurückkomme, will ich ein gemachter Mann sein.«
    Josefine runzelte die Stirn. Ich liebe dich. Monatelang hatte sie darauf gewartet, diese Worte aus seinem Mund zu hören. Und doch …
    »Ich kann auch allein für mich sorgen. Du könntest mir in der Werkstatt helfen, wir könnten sie zusammen ausbauen – mittellos wärst du also gewiss nicht«, stellte sie spröde fest. »Warum sagst du nicht einfach, dass du dich vor all den Problemen mit deinem Vater aus dem Staub machen willst? Warum stehst du nicht dazu, dass dir ein

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