Solang die Welt noch schläft (German Edition)
früheren Veranstaltungen und waren erfreut, bekannte Gesichter wiederzusehen. Schnell hatte die Fachsimpelei begonnen, und hätte Charles Hansen die Radsportler nicht eigenhändig zum Schlafengehen aufgefordert, hätte der Abend kein Ende gefunden. Ausreichend Schlaf war jedoch vor dem Rennen ein Muss!
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück hatte Susanne Lindbergs Verlobter ihnen das kleine Heft ausgehändigt, das sie bei den einzelnen Kontrollposten abstempeln lassen mussten und in dem die Fahrtroute beschrieben war. Die erste Kontrolle sollte schon nach knapp achtzig Kilometern in einem Ort namens Jyderup stattfinden. Die nächste nach den nächsten achtzig Kilometern und so weiter.
Kalundborg, Slagelse, Næstved, Vordingborg – noch hatte Josefine Mühe, die Städtenamen auszusprechen, vorstellen konnte sie sich erst recht nichts darunter. Mit jeder Stunde stieg ihre Nervosität, sie konnte es kaum erwarten, dass es endlich losging.
Im Anschluss waren sie gemeinsam Rad gefahren. Eine mehrstündige Bummelfahrt, um sich nach der langen Zugfahrt wieder an das regelmäßige Pedaletreten zu gewöhnen. Susanne und Charles hatten das Tempo vorgegeben, den meisten war es viel zu langsam gewesen.
Und nun, am zweiten Tag in Kopenhagen, fand also die dritte Zusammenkunft statt.
»Wie schon gesagt, wir haben für das Rennen vier Tage angesetzt. Viermal vierundzwanzig, das ergibt sechsundneunzig Stunden. Wie viele Stunden ihr davon verschlaft, ist eure Sache. Wir empfehlen jedoch, spätestens nach zehn, zwölf Stunden auf dem Rad eine Pause einzulegen, wenn ihr vor lauter Übermüdung einen Unfall erleidet, ist niemandem geholfen. Ob ihr euch zum Ausruhen ein bisschen ins Gras legt, ob ihr einen Bauern bittet, in seiner Scheune nächtigen zu dürfen, oder ob ihr eine kleine Pension, so vorhanden, aufsucht – das liegt allein in eurem Ermessen.«
Zehn, zwölf Stunden auf dem Rad und dann lediglich eine kleine Pause im Gras – Josefine und Isabelle schauten sich mit hochgezogenen Brauen an.
»Jetzt bloß keine Angst bekommen«, flüsterte Isabelle, und Jo nickte heftig. Beide kicherten aufgeregt.
»Sechsundneunzig Stunden für tausend Kilometer – das ist ja eine halbe Ewigkeit«, sagte Leon Feininger abfällig. »Erwartest du von uns Männern wirklich, dass wir in diesem Schneckentempo fahren?«
Sogleich regte sich unter den Frauen Unmut – im Schneckentempo würde gewiss keine von ihnen fahren!
»Jeder kann sein Tempo selbst bestimmen«, sagte Charles Hansen, nachdem er wieder Ruhe in die Versammlung gebracht hatte. »Das gilt für die Damen ebenso wie für die Herren.«
Leon grinste. »Und was, wenn ich deiner lieben Susanne davonfahre und ihr am Ende die Schau stehle? Wäre das auch in Ordnung? Ich meine, immerhin nennt ihr eure Veranstaltung Damen rennen.«
Nun war es Susanne, die antwortete. »Über einen Tempomacher bis zum Schluss wäre ich hocherfreut. Wenn du dir das also zutraust, bitte gern.«
Charles Hansen und die dänischen Fahrerinnen lachten.
Leon hingegen runzelte die Stirn und schwieg. Er als Schrittmacher für einen anderen Fahrer? Wollte die Dänin ihn auf den Arm nehmen? Allem Anschein nach kannten sie seine überragenden Qualitäten noch nicht.
Charles Hansen räusperte sich. »Kehren wir zu den wesentlichen Punkten zurück. Pro Tag werden wir eine Verpflegungsstation für euch aufbauen. Dort gibt es belegte Brote, heiße Suppe, Tee und kalte Getränke. Nach dem Essen könnt ihr euch auch für die Weiterfahrt Brote schmieren. Trockenobst und Nüsse werden als Proviant ebenfalls vorhanden sein. Es ist jedoch dringend angeraten, an diesen Verpflegungsstationen etwas Warmes zu sich zu nehmen!«
Josefine nickte. Eine heiße Suppe tat ihr nach großen Anstrengungen immer gut. Susanne und ihr Verlobter schienen wirklich an alles gedacht zu haben. Ach, wenn es nur endlich losginge …
»Und was, wenn wir solch eine Verpflegungsstation übersehen?«, fragte Luise mit banger Stimme. Die anderen, erschlagen von den vielen Informationen, die auf sie einprasselten, schauten sogleich erschrocken drein.
»Das kann nicht passieren«, erwiderte Susanne Lindberg. »Wir werden die Verpflegungsstationen direkt an den Kontrollpunkten aufbauen, und diese haben wir ja in eurer Routenbeschreibung rot markiert.« Sie lächelte ermutigend in die Runde. »Keine Sorge, wenn ihr erst einmal zwei, drei solcher Kontrollpunkte passiert habt, geht euch der Rhythmus von Stempel holen, essen, trinken und
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