Solang die Welt noch schläft (German Edition)
Heftig schlug sie Adrians Arm von Josefine fort.
»Isabelle … Was soll das? Komm, setz dich wieder.« Leon wollte sie wegziehen, doch sie schüttelte ihn ab wie ein lästiges Insekt. »Lass mich! Das hier ist meine Angelegenheit.« Ihr Blick brannte sich in Josefines errötetes Antlitz.
»Wie lange geht das schon? Wie lange belügst du mich schon, liebe Freundin ? Hast dich hinter meinem Rücken kaputtgelacht über mich, ja?« Ihre Stimme schrillte in ihren eigenen Ohren, doch sie konnte nichts dagegen tun. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, überschwemmte sie wie eine riesige Welle. Sie schnappte nach Luft, um nicht ganz unterzugehen.
»Isa, bitte beruhige dich. Du hast selbst gesagt, dass wir beiden nichts mehr miteinander zu tun haben, warum regst du dich also so auf?«, sagte Adrian und wollte ihr in einer beschwichtigenden Geste eine Hand auf den Arm legen. Er machte Isabelle nur noch wütender.
»Wie kann man nur so gemein sein?« Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, es hätte nicht viel gefehlt und sie –
»Es reicht!«, mischte sich Irene ein. »Ich bin auch bass erstaunt und wenig erfreut über diese … Entwicklung. Aber wäre es nicht angebracht, dass wir uns alle wie erwachsene Menschen benehmen und –«
»Erwachsene Menschen? Du hast gut reden«, kreischte Isabelle. »Dich haben sie ja nicht verkauft wie ein Stück Vieh! Dir haben sie ja nicht Jahre deiner Jugend genommen. Frag doch mal deinen lieben Bruder, wie es zu unserer Verlobung gekommen ist! Vielleicht hat er nun endlich den Mumm, die ganze Wahrheit darüber zu sagen.« Sie zitterte so sehr, dass es ihr schwerfiel, die Worte sauber zu artikulieren.
»Isabelle, chérie …« Leon hielt ihr ein Schnapsglas vor die Nase. »Trink, das wird dich beruhigen.«
Sie schlug seine Hand samt Glas fort. »Und wo wir schon beim Thema Wahrheit sind …« Langsam, wie eine Schlange, die ein Kaninchen fixiert, wandte sie sich wieder Josefine zu.
Noch nie in ihrem Leben war sie so von einem Menschen enttäuscht worden. Alles hatte sie Jo anvertraut, wirklich alles. Sie hatte ihr vertraut wie keinem anderen Menschen. Und nun das.
»Weiß dein feiner Geliebter eigentlich die ganze Wahrheit über dich? Weiß Adrian Neumann, Sohn des großen Gottlieb Neumann, dass du jahrelang nicht einfach verschollen gewesen bist, sondern im Gefängnis gesessen hast? Weil du eine gemeine Diebin bist?«
Nun brach erst recht Tumult aus. Fragen wurden laut, rätselnde, aber auch abfällige Blicke auf Josefine und Adrian geworfen. Josefine im Gefängnis? Niemand verstand mehr, worum es eigentlich ging.
Susanne Lindberg und ihr Verlobter tauschten einen sorgenvollen Blick. So viel Aufregung kurz vor dem Rennen war das Letzte, was sie benötigten. Ein Skandal – und um nicht weniger schien es sich hier zu handeln – konnte ihr ganzes Unternehmen in Gefahr bringen!
»Isabelle, Josefine, Adrian, Irene!« Laut versuchte sich Hansen Gehör zu verschaffen. »Vielleicht wäre es das Beste, wenn ihr vier euch für eine Weile zurückzieht und versucht, diese … Angelegenheit zu klären. Besser jetzt als später im Rennen. Denn da zählt nur noch Fairness, ein gutes Miteinander und –«
Isabelle unterbrach ihn barsch. »Danke für dein Angebot, lieber Charles. Aber zu klären gibt es nichts. Mir ist längst einiges klargeworden.«
»Aber Isabelle, es ist alles ganz anders, als du denkst!«, rief Josefine. »Adrian und ich, wir haben dich nicht betrogen, wir –«
»Sei still!« Zwei Worte wie Peitschenhiebe.
Noch immer bebend vor Wut, ging Isabelle in Richtung Tür. »Wir sehen uns beim Rennen!« Es klang wie eine Drohung.
32. Kapitel
Statt zeitig ins Bett zu gehen, wie Charles es allen Rennteilnehmern geraten hatte, war Josefine die halbe Nacht auf gewesen. Adrian und sie hatten so viel zu bereden gehabt! Ihr Gefängnisaufenthalt war dabei das geringste Thema gewesen.
»Moritz Herrenhus hat dich los sein wollen«, stellte Adrian fest, als sie ihm alles erzählt hatte. »Monatelang hat er dir sein Rad zur Verfügung gestellt, da hätte er sich gewiss nicht so aufführen müssen, als du es dir heimlich ausgeliehen hast. Aber das passt zu dem Mann – wahrscheinlich hat ihm nicht gefallen, dass seine Tochter mit einem Freigeist wie dir so viel Zeit verbringt.« An seiner Liebe zu Josefine änderte ihre Vergangenheit nichts.
Natürlich hatten sie auch über Isabelle gesprochen. Und über Amerika. Und Adrian hatte von den Rädern geschwärmt, die in Berlin auf
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