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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ankam, warst du schon wieder fort. Jetzt habe ich auch nicht viel Zeit, Gerhard benötigt meine Hilfe in der Praxis. Er schätzt es nicht, wenn ich länger wegbleibe. Und zu Vater muss ich später auch noch, Medikamente holen, die Gerhard braucht. Aber ich wollte nun einmal unbedingt die Erste sein, die dich begrüßt!«
    Josefine, von Claras Redefluss fast erschlagen, nickte. Bewundernd schaute sie die Freundin an. »Du siehst so schön aus.«
    Claras rostbraunes Kleid saß, als wäre es ihr auf den Leib geschneidert. Ihre Frisur, ein hochgesteckter Knoten, wirkte elegant und ließ ihre fein gemeißelten Gesichtszüge noch zarter wirken. Ihre Haut war zwar winterblass, aber rein wie die eines Babys.
    Clara lachte. »Die Ehe bekommt mir eben.« Sie zog eine Grimasse. »Erwarte aber nicht, dass ich dein Kompliment zurückgebe! Deine Haare sind so matt wie Stroh, sie benötigen dringend eine Essigspülung. Und deine Haut, sie ist ganz rissig! Ich werde dir gleich morgen eine Salbe aus der Apotheke bringen.«
    Josefine lachte trocken auf. »Ich weiß, ich sehe schrecklich aus. Aber ein paar Wochen in Friedas Obhut werden Wunder bewirken, du wirst schon sehen. Wo ist sie eigentlich?« Fragend schaute sie zur Tür.
    »Frieda …« Schlagartig verabschiedete sich das Lächeln aus Claras Miene. »Ich wollte dir Bescheid geben, aber dann …« Noch während sie sprach, zog sie Josefine zu der Bank, die dicht an der Hauswand stand. Sie setzte sich und gab Jo ein Zeichen, es ihr gleichzutun.
    Doch Jo blieb stehen. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen die aufsteigende Panik an. »Was ist? Ist sie krank? Ist sie im Krankenhaus? Was verheimlichst du mir?« Am liebsten hätte sie Clara gepackt und geschüttelt. Ihre Brust hob und senkte sich, als wäre sie gerannt.
    »Frieda ist tot«, sagte Clara tonlos und schaute dabei zu Boden. »Sie ist vorletzte Woche gestorben. Ganz plötzlich. Sie hat Blut gespuckt. Viel Blut. Als ob innerlich etwas geplatzt war, eine Ader, ein Geschwür, irgendetwas. Es war schrecklich! Gerhard war die ganze Nacht bei ihr, er hat wirklich alles versucht, glaube mir …«
    Claras Worte fielen wie Kiesel in einen See. Josefine hatte das Gefühl, hinterherzustürzen und zu ertrinken.
    »Es tut mir so leid. Ich wollte dir schreiben, hatte Papier und Feder schon in der Hand. Aber mir fehlten die Worte. Ach Josefine …« Clara wollte nach Josefines Arm greifen, doch Jo wich zurück. Kraftlos sank sie neben Clara auf die Bank.
    Die Gießkanne, die Clara zuvor in der Hand gehabt hatte, stand noch immer auf dem Boden neben ihnen. Aus einem seitlichen Riss rann Wasser heraus und versickerte im Boden. Friedas Katze kam und strich ihnen schmeichelnd um die Beine. Als sie dabei versehentlich in die Wasserpfütze trat, sprang sie angeekelt davon.
    Josefine nahm alle Details um sich herum überdeutlich wahr: das leise Zwitschern der Amseln, die mit dem Nestbau beschäftigt waren. Clara, die schweigend neben ihr saß. Die graue Katze, ihr Miauen … Jede Einzelheit würde für immer in ihr Gedächtnis gebrannt sein.
    »Frieda hat mir doch erst kürzlich noch geschrieben, ich trage ihren Brief bei mir«, flüsterte Jo. »Sie hatte Pläne …« Meisterhafte Pläne.
    Verstört schaute sie sich um. Was würde nun werden? Friedas Frühsalat … Wer würde ihn ernten? Die Katze, wer würde sich um sie kümmern …
    »Frieda und ihre Pläne. Sie war wirklich eine ganz besondere alte Dame.« Clara lächelte traurig. Als könne sie Gedanken lesen, sagte sie: »Seit ihrem Tod füttere ich ihre Katze. Und um den Garten habe ich mich auch gekümmert, so gut es geht. Der Gedanke, dass alles, was Frieda wichtig war, kaputtgeht, ist mir einfach unerträglich.« Ein schwaches Schulterzucken begleitete ihre Aussage.
    Ich hätte dasselbe getan, wollte Josefine sagen, brachte jedoch kein Wort heraus. Trauer durchströmte sie wie Gift. Es drang in jede Pore ein, machte sie unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Warum weine ich nicht?, ging es ihr durch den Sinn, und sie blinzelte.
    »Frieda hat so viel von dir gesprochen! Sie konnte es kaum erwarten, dich wiederzusehen. Schon vor Wochen hat sie ein Zimmer für dich hergerichtet, oben, im ersten Stock, voller Stolz hat sie es mir vorgeführt. Ich weiß gar nicht, was jetzt mit allem hier geschehen soll.« Claras Augen füllten sich mit Tränen.
    Einen Moment lang saßen sie schweigend da, jede in ihre Trauer um die alte Frau versunken. Dann legte Clara ihre Hand zögerlich auf

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