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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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vielleicht einen Weg nach Hause aufzeigen. Aber sie war noch immer hier auf der Erde, oder? Und die Sterne waren so weit entfernt wie eh und je.
    »Mamie?«, brach Hope nach einer Weile das Schweigen.
    Rose wandte sich zu ihr um, und sie lächelte bei dem Wort. Sie dachte liebevoll an ihre eigene mamie zurück, eine Frau, die ihr immer so glamourös erschienen war, eine Frau, deren typische Attribute roter Lippenstift, hohe Wangenknochen und ein flotter dunkler Bob waren, der in den Zwanzigerjahren aus der Mode gekommen war. Aber dann erinnerte sie sich, was mit ihrer eigenen mamie passiert war, und ihr Lächeln schwand. Sie blinzelte ein paarmal und kehrte in die Gegenwart zurück. »Ja, Liebes?«
    »Wer ist Leona?«
    Die Worte raubten Rose für einen Moment den Atem, denn es war ein Name, den sie seit fast siebzig Jahren nicht mehr ausgesprochen hatte. Warum auch? Sie glaubte nicht an die Auferweckung von Geistern.
    »Niemand«, antwortete Rose schließlich. Aber das war natürlich gelogen. Leona war jemand. Das waren sie alle. Sie wusste, dass sie, indem sie sie wieder einmal verleugnete, den Teppich der Täuschung noch ein bisschen enger webte. Sie fragte sich, ob er eines Tages eng genug sein würde, um sie zu ersticken.
    »Aber Annie sagt, du hättest sie Leona genannt«, beharrte Hope.
    »Nein, sie irrt sich«, sagte Rose prompt. »Es gibt keine Leona.«
    »Aber …«
    »Wie geht es Annie?«, wechselte Rose rasch das Thema. An Annie konnte sie sich deutlich erinnern. Annie war die dritte Generation Amerikaner in ihrer Familie. Erst Josephine. Dann Hope. Und jetzt die Kleine, Annie, die Morgenröte in Roses Abenddämmerung. Es gab nur wenig, worauf Rose in ihrem Leben stolz war. Aber darauf, darauf war sie stolz.
    »Es geht ihr gut«, erwiderte Hope, aber Rose entging nicht, dass die Linie von Hopes Mund ein bisschen unnatürlich verzogen war. »Sie unternimmt in letzter Zeit viel mit ihrem Dad. Sie sind den ganzen Sommer über zu Cape-League-Spielen gegangen.«
    Rose forschte in ihrem Gedächtnis. »Was für Spielen?«
    »Baseball. Sommerliga. Wie die Spiele, zu denen Opa mit mir gegangen ist, als ich ein Kind war.«
    »Na, das hört sich doch nett an, Liebes«, sagte Rose. »Bist du auch mitgegangen?«
    »Nein, Mamie«, sagte Hope sanft. »Annies Vater und ich sind geschieden.«
    »Natürlich«, murmelte Rose. Sie musterte Hopes Gesicht, als das Mädchen den Blick senkte, und jetzt konnte sie in ihren Zügen dieselbe Art Traurigkeit sehen, die sie jedes Mal sah, wenn sie sich selbst im Spiegel betrachtete. Weswegen war sie bloß so traurig? »Liebst du ihn noch immer?«, wagte sie schließlich zu fragen.
    Hope sah scharf auf, und Rose fühlte sich schrecklich, als sie begriff, dass sie vermutlich die falsche Frage gestellt hatte. Manchmal vergaß sie, was höflich war und was nicht.
    »Nein«, murmelte Hope schließlich. Sie erwiderte Roses Blick nicht, als sie hinzufügte: »Ich glaube nicht, dass ich es je getan habe. Es ist schrecklich, so etwas zu sagen, oder? Ich glaube, irgendetwas mit mir ist nicht in Ordnung.«
    Rose spürte einen Kloß im Hals. Das bedeutete, dass die Last auch an Hope weitergegeben worden war. Das wusste sie jetzt. Ihr eigenes verschlossenes Herz hatte Folgen ausgelöst, die sie sich nie vorgestellt hatte. Sie war für das alles verantwortlich. Aber wie konnte sie Hope sagen, dass es doch Liebe gab, dass Liebe die Macht hatte, alles zu verändern? Sie konnte es nicht. Und so räusperte sie sich stattdessen und versuchte sich auf die Gegenwart zu konzentrieren.
    »Mit dir ist alles in Ordnung, Liebes«, sagte sie zu ihrer Enkelin.
    Hope sah kurz zu ihrer Großmutter und wandte den Blick dann ab. »Aber was, wenn nicht?«, fragte sie leise.
    »Du darfst dir keine Vorwürfe machen«, sagte Rose. »Manche Dinge sollen eben einfach nicht sein.« Irgendetwas lauerte wieder am Rande ihres Gedächtnisses. Sie konnte sich an den Namen von Hopes Ehemann nicht erinnern, aber sie wusste, dass sie ihn nie besonders gemocht hatte. War er unfreundlich zu Hope gewesen? Oder lag es nur daran, dass er ihr immer ein bisschen zu kalt erschienen war, ein bisschen zu gesetzt? »Er ist Annie immer ein guter Vater gewesen, oder?«, fügte sie hinzu, weil sie das Gefühl hatte, irgendetwas Gutes sagen zu müssen.
    »Na klar«, sagte Hope angespannt. »Er ist ein toller Vater. Kauft ihr alles, was sie will.«
    »Aber das ist keine Liebe«, sagte Rose zögernd. »Das sind nur Sachen.«
    »Na ja, gut«, sagte

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