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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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Hope. Auf einmal sah sie erschöpft aus. Ihre Haare fielen ihr vors Gesicht wie ein Tuch, verbargen ihre Miene. In diesem Augenblick war sich Rose sicher, dass sie Tränen in den Augen ihrer Enkelin sah, aber als Hope wieder aufblickte, waren ihre unsäglich vertrauten Augen klar.
    »Bist du denn mit anderen Männern ausgegangen?«, fragte Rose einen Augenblick später. »Nach der Scheidung?« Sie dachte an ihre eigene Lage und daran, dass man sich manchmal auf etwas Neues einlassen musste, selbst wenn man sein Herz längst verschenkt hatte.
    »Natürlich nicht.« Hope ließ den Kopf hängen, wich Roses Blick aus. »Ich will nicht so sein wie meine Mutter«, murmelte sie. »Annie kommt an erster Stelle. Nicht irgendwelche Typen.«
    Und da begriff es Rose. Mit einem Mal erinnerte sie sich an kleine Details aus der Kindheit ihrer Enkelin. Sie erinnerte sich, wie Josephine endlos nach Liebe gesucht hatte, an allen falschen Orten, bei allen falschen Männern, während die Liebe die ganze Zeit genau dort gewesen war, in Hopes Augen. Sie erinnerte sich an unzählige Abende, an denen Josephine ihre Tochter bei Rose gelassen hatte, damit sie ausgehen konnte. Hope, die damals noch ein kleines Mädchen war, weinte sich dann in den Schlaf, während Rose sie fest an sich drückte. Rose erinnerte sich an die Tränenflecken auf ihren Blusen und wie sie sich dadurch immer leer und allein fühlte, nachdem Hope längst eingeschlafen war. »Du bist nicht deine Mutter, Liebes«, sagte Rose sanft. Es tat ihr so leid, denn das hier – das alles – war ihre eigene Schuld. Wer hätte wissen können, dass ihre Entscheidungen noch Generationen später nachwirken würden?
    Hope räusperte sich, wandte den Blick ab und wechselte das Thema. »Du bist dir also sicher, dass du keine Leona kennst?«
    Rose blinzelte ein paarmal, während der Name wieder ein Loch in ihr Herz brannte. Sie presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. Vielleicht war die Lüge nicht ganz so schlimm, wenn sie nicht laut ausgesprochen wurde.
    »Seltsam«, murmelte Hope. »Annie war sich sicher, dass du sie so genannt hast.«
    »Wie eigenartig.« Rose wünschte, sie könnte dem Mädchen die Antworten geben, nach denen sie suchte, aber sie war nicht bereit dazu, denn die Wahrheit auszusprechen würde ein Schleusentor öffnen. Sie spürte das Wasser hinter dem Damm aufwallen, und sie wusste, dass es bald überlaufen würde. Aber vorläufig waren die Flüsse, die Fluten, die Wassermassen noch immer ihre, und sie segelte allein auf ihnen.
    Einen Augenblick lang sah Hope aus, als wollte sie noch etwas sagen, aber dann stand sie stattdessen auf und umarmte Rose fest und versprach bald wiederzukommen. Sie ging, ohne sich noch einmal umzudrehen. Rose sah ihr nach, wobei ihr auffiel, dass es noch gar nicht richtig dunkel geworden war; Hope war nicht einmal die ganze heure bleue geblieben. Das stimmte Rose traurig, auch wenn sie dem Mädchen keinen Vorwurf machte. Sie wusste, dass sie es sich, wie so vieles andere auch, selbst zuschreiben musste.
    Irgendwann später, nachdem alle Sterne aufgegangen waren, kam Roses Lieblingsschwester – eine Frau, deren Haut glänzte wie das pain au chocolat , das Rose vor langer Zeit immer für ihren Bruder David und ihre Schwester Danielle mit nach Hause brachte –, um dafür zu sorgen, dass sie ihre Abendmedikamente nahm.
    »Hi, Rose«, sagte sie lächelnd, während sie ein kleines Glas Wasser einschenkte und Roses Pillendöschen öffnete. »Hatten Sie heute Abend Besuch?«
    Rose grübelte darüber nach, versuchte angestrengt, sich zu erinnern. Irgendetwas blitzte auf, glitzerte im Hintergrund ihres Gedächtnisses, aber dann war es verschwunden. Sie war sich sicher, dass sie sich den Sonnenuntergang allein angesehen hatte, wie sie es jeden Abend tat. »Nein, Liebes«, sagte Rose zu ihr.
    »Sind Sie sicher, Rose?«, hakte die Schwester nach. Sie reichte Rose ihre Pillen in einem kleinen Pappbecher und sah dann zu, wie Rose sie mit einem Schluck Wasser hinunterspülte. »Amy vom Empfang unten hat gesagt, Ihre Enkelin sei hier gewesen. Hope.«
    Rose lächelte, denn sie liebte Hope, die jetzt dreizehn oder vierzehn sein musste. Wie rasch doch die Zeit verfliegt , dachte sie. Bevor ich mich versehe, wird sie ganz erwachsen sein . »Nein«, sagte sie zu der Schwester. »Es war niemand hier. Aber Sie müssen sie einmal kennenlernen. Sie ist ein sehr nettes Mädchen. Vielleicht wird sie mit ihrer Mutter zu Besuch kommen.«
    Die Schwester

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