Solange am Himmel Sterne stehen
ich mir vor, wie Annie im Warteraum des Krankenhauses weint, ohne jemanden, der sie trösten kann, bis auf Gavin Keyes. Er war in diesen letzten Monaten wundervoll zu uns, aber trotzdem, so gut kennt sie ihn nun auch wieder nicht, und sie muss schreckliche Angst um Mamie haben. Ihr Vater sollte dort bei ihr sein, nicht Gavin. Ich nehme mir vor, sobald Alain mit dem Telefonieren fertig ist, Rob anzurufen und ihm gehörig die Meinung zu sagen.
»Ich habe dein Ticket umgebucht«, sagt Alain, als er schließlich auflegt, »und eines für mich gekauft. Der früheste Nonstop-Flug, den ich für uns bekommen konnte, geht um 13.25 Uhr und landet um kurz nach drei in Boston. Es gab noch frühere Flüge von Paris, aber mit den Zwischenstopps wären wir damit nur später in Boston angekommen.«
Ich nicke blinzelnd; morgen um 13.25 Uhr scheint eine Ewigkeit weit weg zu sein. »Danke«, sage ich. »Wie viel bin ich dir schuldig?« Ich weiß, ich sollte jetzt nicht an Geld denken, aber mir ist bewusst, dass die Kosten weitaus höher sein werden als der Tausend-Dollar-Scheck, den Mamie mir gegeben hat. Ich habe keine Ahnung, wie ich dafür aufkommen soll.
Alain blickt verwirrt. »Sei nicht albern«, sagt er. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über solche Dinge zu reden. Wir müssen schnell nach Boston kommen, um Rose zu sehen.«
Ich nicke. Ich werde später darauf bestehen. Ich habe jetzt nicht die Kraft dafür. »Danke«, sage ich leise.
Ich frage Alain, ob ich noch einmal sein Telefon benutzen darf, und er beobachtet mich genau, während ich erst mit Robs Sekretärin spreche und dann, nachdem ich sie überredet habe, mich durchzustellen, mit angespannter Stimme mit Rob rede.
»Mein Gott, Hope, ich fahre hin, sobald ich kann«, sagt Rob. »Ich bin mitten in einer wichtigen Anhörung. Es ist schließlich nicht so, dass Annie in Lebensgefahr schwebt oder so.«
»Deine Tochter ist im Krankenhaus, allein und verängstigt «, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Ist dir das etwa egal?«
»Ich habe doch gesagt, ich fahre hin, sobald ich kann«, wiederholt er.
»Ja, ich habe dich beim ersten Mal gehört«, gebe ich zurück. »Und da klang es genauso egoistisch wie jetzt.«
Als ich den Hörer auflege, wird mir bewusst, dass ich zittere. Alain kommt durchs Zimmer auf mich zu und umarmt mich. Ich zögere kurz, dann erwidere ich seine Umarmung.
»Du bist nicht mit Annies Vater verheiratet?«, fragt Alain einen Augenblick später, und mir wird bewusst, dass ich ihm bei unserem ganzen Reden über Mamie noch kaum etwas von mir erzählt habe.
»Nein«, sage ich. »Nicht mehr.«
»Das tut mir leid«, sagt Alain.
Ich zucke mit den Schultern. »Das muss es nicht«, sage ich. »Es ist besser so.« Ich versuche, leichter und lässiger zu klingen, als mir zumute ist. Aber ich kann Alain am Gesicht ablesen, dass er meine gespielte Gleichgültigkeit glatt durchschaut. Ich bin froh, dass er nicht weiter nachfragt.
»Du kannst heute Nacht gern hier schlafen, wenn du willst«, sagt Alain. »Aber ich nehme an, du hast ein paar Sachen in deinem Hotel, die du noch holen musst.«
»Ja, ich muss noch packen«, sage ich benommen. »Und auschecken.«
»Ich werde heute Nacht kein Auge zutun«, sagt Alain. »Mir geht zu viel durch den Kopf. Dann komm doch morgen früh wieder her, sobald du so weit bist. Es ist nie zu früh. Und dann werden wir zusammen frühstücken, bevor wir zum Flughafen fahren.«
Ich nicke. »Danke«, murmele ich.
»Ich habe dir zu danken«, sagt Alain. Er drückt meine Hände und küsst mich auf beide Wangen. »Du hast mir meine Familie wiedergegeben.«
Ich finde in dieser Nacht auch keinen Schlaf, obwohl ich es versuche. Ich schäme mich, in die Federn zu kriechen, während meine Tochter allein und verängstigt tausende von Meilen weit entfernt ist. Ich versuche es noch zweimal bei Annie, aber sie nimmt nicht ab; der Anruf wird sofort auf ihre Mailbox umgeleitet, und ich frage mich, ob ihr Akku vielleicht leer ist. Gegen vier Uhr morgens Pariser Zeit erreiche ich Gavin auf seinem Handy, und er sagt mir, dass er gegangen ist, nachdem Rob gegen sieben Uhr abends zum Krankenhaus kam. Soweit er weiß, ist Mamies Zustand seitdem unverändert.
»Versuch ein bisschen zu schlafen, Hope«, sagt Gavin leise. »Du kommst nach Hause, sobald du kannst. Und du hilfst niemandem, indem du dort drüben die ganze Nacht wachliegst.«
Ich murmele ein Dankeschön und lege auf. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich auf
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