Solange du schläfst
gespannt«, stieß er hervor, nahm sich eine Tasse aus dem Schrank, füllte sie mit Kaffee und setzte sich zu uns an den Tisch. Er blickte zwischen Jérôme und mir hin und her, bevor er die Tasse zu den Lippen führte. Er fluchte leise, als er sich die Zunge verbrannte. »Ich warte!«, sagte er schließlich.
Ich senkte den Blick. Unter der Tischplatte suchte ich nach Jérômes Hand und umklammerte sie.
»Es ist alles meine Schuld …«, begann er.
»Unsinn«, fiel ich ihm ins Wort. »Jérôme hat nichts davon gewusst. Das war ganz allein meine Idee. Ich hab nie vorgehabt, zu dieser blöden Party zu gehen.«
»Warum hast du uns belogen?«, mischte sich Claudia ein.
Ich stöhnte auf. »Du hast mir doch keine andere Wahl gelassen.«
»Ich habe dir keine Wahl gelassen? Das habe ich aber ganz anders in Erinnerung.«
»Kinder, Kinder«, beschwichtigte uns Carsten, »das bringt doch so nichts. Lasst uns bitte ruhig und vernünftig darüber reden.« Und an Jérôme gewandt fügte er hinzu: »Es gibt da anscheinend ein paar Typen, die nicht besonders gut auf dich zu sprechen sind.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich.
Carsten atmete tief durch und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. »Gestern Abend um kurz nach zehn hat das Telefon geklingelt. Zunächst habe ich überhaupt nicht begriffen, was der Anrufer von mir wollte, weil er immer wieder irgendetwas von einem
Opfer
gefaselt hat. Und von einer
eingebildeten Stadttusse
, die ihn versetzt hätte. Doch irgendwann ist dann dein Name gefallen, Anna, und da hat es langsam bei mir geklingelt. Ich habe ein paarmal nachgefragt, wer denn nun am Telefon sei, aber keine Antwort darauf bekommen. Okay, bis auf:
Hier ist der Checker von Mahlhausen
.«
Ich konnte nicht anders und musste auflachen.
»Im Hintergrund waren lautes Stimmengewirr und Musik zu hören. Als ich nach dir fragte, ist der Typ völlig ausgeflippt. Er hat ins Telefon gebrüllt, dass die
olle Stadttusse
noch sehen würde, was sie davon hätte, dass er sich von keiner Braut
verarschen
lassen würde und dass Jérôme so gut wie tot sei.«
Ich schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf.
Jérôme wirkte ganz gefasst. Er saß regungslos da, während sein Blick irgendwo im leeren Raum hing.
»Deine Mutter hat dann bei diesem Konstantin angerufen, um sich zu vergewissern, dass du wirklich nicht auf der Partybist«, erzählte Carsten weiter. »Er hat zwar bestritten, der Anrufer gewesen zu sein, aber zugegeben, dass du überhaupt nicht bei ihm aufgekreuzt bist.« Carsten blickte mich ernst an. »Mensch, Anna, ist dir eigentlich klar, dass wir fast umgekommen sind vor Sorge? Wir wussten doch überhaupt nicht, was geschehen ist.«
»Es tut mir leid«, murmelte ich kleinlaut. »Das wollte ich nicht.«
Carsten streckte mir drohend den Zeigefinger entgegen. »Mach so etwas nie wieder. Hörst du?! Nie wieder!«
Ich nickte. Sagen konnte ich nichts mehr. Was auch? Es war ohnehin alles gesagt.
Jérôme erhob sich langsam vom Tisch. »Es tut mir sehr leid, dass Sie meinetwegen so viel Ärger hatten«, sagte er. »Ich wollte nicht, dass mein Problem zu Annas wird und schon gar nicht zu Ihrem. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen.«
Carsten brummte irgendetwas Unverständliches.
»Ich hätte Anna nach Hause bringen sollen. Und zwar gleich nach Ihrem Anruf gestern. Aber, na ja, manchmal macht man eben Dinge, die nicht vernünftig oder logisch sind. Ganz besonders, wenn man verliebt ist. Ich weiß, das ist keine gute Erklärung, aber es ist die einzige, die ich Ihnen geben kann.«
Claudia nickte ihm zu. »Schon gut, Jérôme. Ich denke, wir belassen es erst einmal dabei. Am besten wird es sein, wenn du jetzt gehst.«
Jérôme strich mir sanft über die Haare und verließ dann die Küche.
Am liebsten wäre ich ihm nachgelaufen, aber mein Vater blickte mich so streng an, dass ich es nicht wagte.
Nachdem die Haustür hinter Jérôme ins Schloss gefallen war, herrschte für einen Moment Stille in der Küche.
»Ich kann mich noch gut an meine Jugend erinnern, Anna«, sagte Carsten schließlich, »ich habe auch eine Menge Blödsinn gemacht und meine Eltern haben sich bestimmt oft über mich geärgert. Deswegen will ich aus dieser Sache jetzt auch kein Drama machen. Nur so viel lass dir gesagt sein: Passiert etwas in der Art noch einmal, lügst du uns noch einmal an, dann verbiete ich dir den Umgang mit Jérôme. Ist das klar?!«
»Ja«, sagte ich kleinlaut. »Kann ich jetzt in mein Zimmer
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