Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
Vom Netzwerk:
oder?«
    Ich wartete, aber natürlich bekam ich keine Antwort. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass er meinen Worten gespannt lauschte.
    »Alles wird gut, Jérôme«, sagte ich schließlich. »Ich werde herausfinden, was in dieser Nacht geschehen ist, und dann wachst du wieder auf, ja?«
    Ein letztes Mal strichen meine Finger zärtlich über sein Gesicht und berührten seine Lippen.
    »Bis morgen …«, flüsterte ich.
    Als ich kurze Zeit später das Krankenhaus verließ und mich auf dem Parkplatz suchend nach Claudia umschaute, entdeckte ich Jérômes Onkel. Er stand etwas abseits und unterhielt sich mit jemandem. Ich konnte nicht erkennen, wer es war, weil er zum Teil von einem der großen Büsche verdeckt wurde, die den gesamten Parkplatz säumten. Es war auf jeden Fall ein Mann und er war ziemlich groß.
    Drohend fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum. Jérômes Onkel hatte den Kopf gesenkt, so als wagte er nicht, seinem Gegenüber ins Gesicht zu blicken.
    Ich machte ein paar Schritte nach rechts, um erkennen zu können, wer der Typ war. Aber genau in diesem Moment wandte der Mann sich ab und ging mit energischen Schritten davon. Jérômes Onkel schaute ihm hinterher. Dann drehte er sich um und verschwand in die entgegengesetzte Richtung.
    Ich ging schnell hinter einem parkenden Auto in die Hocke. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es wäre besser, wenn Udo nicht wusste, dass ich ihn gesehen hatte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Hatte er Jérôme besuchen wollen und war nur zufällig auf den Mann getroffen? Nein, das glaubte ich nicht. Jérôme und er hatten ein ziemlich distanziertes Verhältnis zueinander,und irgendwie konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass sein Onkel ihm ganz allein einen Besuch abstattete. Aber vielleicht war ja Ella bei ihm gewesen und ich hatte sie nur nicht gesehen.
    Mir blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Augenblick fuhr meine Mutter über den Parkplatz an mir vorbei. Ich erhob mich rasch und winkte ihr zu.
    »Hi, Schatz. Na, wie war es bei Jérôme?«, fragte sie, als sie mich entdeckte.
    »Gut«, antwortete ich und ließ mich auf den Beifahrersitz plumpsen.
    Claudia fuhr los. »Weißt du, wer mir gerade entgegengekommen ist?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
    »Unser Bürgermeister höchstpersönlich. Der ist mir fast vors Auto gerannt.« Claudia verdrehte die Augen. »Der sah aus, als ob er gleich explodieren würde. Knallroter Kopf und ein Gesicht, dass einem angst und bange werden könnte. Irgendjemand muss den gerade richtig geärgert haben.«
    Und ich weiß auch, wer das war, dachte ich und schluckte.

28.
    Mathea war der Typ Mädchen, mit dem ich noch nie etwas anfangen konnte und das ich im Normalfall sicher ignoriert hätte. Lange blondierte Haare mit dunkel nachwachsendem Ansatz, greller Lidschatten, pinkfarbener Lippenstift und passender Nagellack auf langen, spitzen Nägeln. Dazu eine weiße Steppjacke mit einem Shirt darunter, auf dem in goldener Glitzerschrift
Superzicke
stand, eine knallenge schwarze Jeans und weiße hochhackige Stiefel. Kaugummikauend blickte sie mich an.
    Mit einer Mischung aus Verblüffung und Freude stand ich ihr gegenüber. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass ich sie endlich gefunden hatte.
    »Du hast doch nichts dagegen, oder?«, fragte sie und steckte sich eine Zigarette an.
    »Meinst du, das ist hier drinnen erlaubt?«, erwiderte ich und deutete mit der Hand auf die um uns herum aufgestapelten Strohballen.
    Wir hatten gestern Abend miteinander telefoniert und uns für diesen Tag verabredet. Mathea hatte als Treffpunktdie Scheune vorgeschlagen. Sie lag ziemlich abseits, ein gutes Stück von der Hauptstraße entfernt, auf halber Strecke zwischen Mahlhausen und Düllinghausen, dem Dorf, in dem Mathea wohnte. Normalerweise hätte ich mich nie im Leben hierher verirrt – aber was war noch normal, seitdem wir nach Mahlhausen gezogen waren?
    »Der Küpers wird hier schon nicht auftauchen. Das Stroh ist längst eingefahren«, erwiderte sie gleichgültig.
    Ich nickte. Schließlich hatte ich mich nicht mit ihr verabredet, um ihr einen Vortrag über das Rauchen in mit Strohballen vollgepackten Scheunen zu halten.
    »Also, warum wolltest du dich so dringend mit mir treffen?«, fragte sie, während sie den Zigarettenrauch gleichzeitig aus Mund- und Nasenlöchern pustete. Sie setzte sich auf einen der Strohballen. »Du hast angedeutet, dass es mit Konsti und Jérôme zu tun hat.«
    Ich nickte. »Genau.

Weitere Kostenlose Bücher