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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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auf seinen eigenartigen Ruhm angewiesen war. Oder musste er in alle Ewigkeit dieselbe Vortragsreihe über seinen einen kleinen Beitrag halten, in Ausschüssen sitzen und bloß durch seine Anwesenheit glänzen? Er hatte keine Antwort, aber es war angenehm, seinen Gedanken nachzuhängen, und oft schlummerte er in der Dunkelheit des frühen Nachmittags ein, um abends hungrig und mit neuem Appetit auf den Landwein wieder aufzuwachen.
    Nach seiner Rettung aus dem Rachen eines Eisbären hatte er für den Rest der Woche genug von Abenteuern. Kühnere Gesellen zogen mit Führer los, wanderten in den Bergen, bauten Schneehöhlen oder erkundeten auf Motorschlitten ein Tal, das zwischen den Felsmassen auf der anderen Seite des Fjords steil hinaufführte. Täglich verbrachte er zwei oder drei Stunden außerhalb des Schiffs und leistete den anderen Gesellschaft. Er wurde als Gehilfe engagiert, durfte bald ein Stück Schnur halten, bald Eisblöcke für Jesus zurechtschneiden, Pickett die Mikrophone halten oder gar bei dem Tanz mitmachen: Eine Filmkamera lief, während er gemessenen Schritts hinter einem Dutzend anderer im Gänsemarsch ein zweihundert Meter großes Quadrat beschrieb. Wie wohltuend, nichts denken zu müssen und einfach nur Anweisungen zu befolgen. In einem wärmeren Klima und in besserer Verfassung hätte er versucht, mit der Choreographin anzubändeln, der schlanken Elodie aus Montpellier, zumal wenn sie ohne ihren Mann gekommen wäre, einen stiernackigen Fotografen, der früher für Frankreich Rugby gespielt hatte. Stella Polkinghorne war ebenfalls verheiratet - mit Barry Pickett, dem Organisator.
    Beard hatte hier ein leichtes Leben. Dass weder Kunst noch Klimawandel ihn sonderlich interessierten, und Klimawandelkunst schon gar nicht, behielt er für sich; er gab sich umgänglich und stellte zu seiner Überraschung fest, dass er bei den Leuten recht beliebt war. Er selbst bekam den Kopf frei, wenn er sich auf dem Eis nützlich machte. Einmal zur Mittagszeit brachte er aus dem Schiff ein paar Becher mit Tomatensuppe heraus, die am Ende der Gangway bereits gefroren waren. Sie wurden in eine Skulptur eingebaut. Seine Stimmung hob sich, oder sank jedenfalls nicht weiter. Er begann wieder an seine Fitness zu denken. Noch vor zehn, zwölf Jahren hatte er ganz passabel Tennis gespielt, wobei er seine geringe Körpergröße mit einem fiesen Vorhandvolley direkt am Netz kompensierte. Und noch früher war er gar nicht schlecht Ski gelaufen. Vor acht Jahren konnte er noch seine Zehen berühren. Es war doch sicher nicht unausweichlich, dass er Monat für Monat zunahm, bis er tot umfiel? Er sprach sich mit Jan ab, der ihn von da an täglich auf einer drei Kilometer langen Wanderung um das Schiff herum mit seinem Gewehr begleitete. Während er nach dem zweiten Mal mit schmerzenden Beinen in seiner Koje lag, erstellte er im Geist eine Liste der Nahrungsmittel, die er nicht mehr anrühren wollte. Er hatte fünfzehn Pfund Übergewicht. Handle jetzt, oder stirb vorzeitig. Er schwor allem ab, dem man so abschwor - Milchprodukten, rotem Fleisch, Gebratenem, Torten, Salznüssen. Und Chips, für die er eine besondere Schwäche hatte. Es gab noch mehr, aber er war schon eingeschlafen, bevor die Liste fertig war. In den letzten drei Tagen seines Aufenthalts hielt er sich an die neue Diät.

    Vom zweiten Tag an war die Unordnung in der Stiefelkammer selbst für Beard offenkundig. Er vermutete, dass er täglich in andere Stiefel schlüpfte. Am dritten Tag wickelte er seine Schutzbrille (diese war nicht beschädigt) in seine Skimütze, trotzdem war sie am vierten verschwunden, und die Skimütze lag völlig durchnässt auf dem Boden, daneben mehrere Kälteschutzanzüge, die ziemlich zertrampelt aussahen; ohne allzu genau hinzusehen, kam er zu dem Schluss, dass seiner nicht darunter war. Während sie draußen das Geräusch des Windes in der Schiffstakelage aufnahmen, vertraute Pickett ihm an, er habe zwei Tage lang zwei linke Stiefel getragen. Er war hart im Nehmen und schien sich nicht daran zu stören. Beard aber störte es. Auch wenn er nicht viel Gemeinsinn besaß, setzte er gewisse Anstandsregeln voraus - bei sich und bei anderen. Er selbst verstaute seine Sachen immer an und unter demselben Haken, Nummer siebzehn, und musste zu seiner Enttäuschung feststellen, dass es den anderen offenbar schwerfiel, sich an derart simple Regeln zu halten. Bei Handschuhen war das besonders problematisch, da man ohne sie unmöglich ins Freie gehen

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