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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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weiß es, dann werden Sie sich dafür ins Zeug legen. Auf Sie hören die Leute. Quantenkohärenz in der Photosynthese ist nichts Neues, aber jetzt wissen wir, wo wir nachhaken und was wir näher untersuchen müssen. Sie könnten an der Spitze dieser Forschung stehen, Sie könnten die Mittel zur Entwicklung eines Prototyps beschaffen. Das ist zu wichtig, um es einfach sausenzulassen. Es geht um unsere Zukunft, die Zukunft der ganzen Welt steht auf dem Spiel, deswegen können wir es uns nicht leisten, Feinde zu sein.«
    Das Geschwätz von der ganzen Welt hatte Beard in letzter Zeit mehr als genug gehört. Ihm hatte es immer missfallen, dass die Biologie die Quantenmechanik für ihre Sache einspannte. Er hatte ein irrationales Vorurteil gegen Physiker, die zur Biologie überliefen, Schrödinger, Crick und Konsorten, die glaubten, ihr geistreicher Reduktionismus sei allem anderen überlegen. Grünzeug in jeder Form - Gartenarbeit, Waldspaziergänge, Protestbewegungen, Photosynthese, Salat - war nicht nach seinem Geschmack.
    »Wie lange vögeln Sie schon meine Frau?«
    Aldous stöhnte, er schien aufbegehren zu wollen. Dann ließ er resigniert die Schultern sinken. »Angefangen hat es etwa einen Monat nachdem ich sie zum ersten Mal gesehen habe.«
    »Nachdem ich Sie miteinander bekannt gemacht habe.«
    »Richtig, Professor Beard. Sie waren unterwegs, in Birmingham oder Manchester. Ich bin auf dem Heimweg hier vorbeigefahren, um zu sehen, ob ich etwas für Patrice tun könnte...«
    »Und das konnten Sie.«
    Wieder das Betteln des bäuerlichen Pächters. »Ehrlich, Professor Beard. Ich hatte keinerlei Absichten gegenüber Ihrer Frau. Die ist doch viel zu gut für mich. Ich bin ein Niemand. Sie hat mich ins Haus gebeten, schließlich zum Abendessen eingeladen - und so hat es angefangen. Später hat sie mir erzählt, zwischen Ihnen beiden sei alles aus, und ich habe mir irgendwie eingeredet, dass es Ihnen, äh...«
    »Nichts ausmacht?«
    Natürlich wusste er es längst, aber es fuchste ihn, nein schlimmer, es quälte ihn, auf dem Umweg über Aldous nun zum zweiten Mal von Patrice zu hören, dass sie ihre Ehe für beendet hielt. Seit dem Spätsommer letzten Jahres traf sie sich mit Aldous, nicht mit Tarpin. Vielleicht auch mit beiden. Da taucht eines Augustabends dieser blöde Pferdeschwanz bei ihr vor der Tür auf, und sie greift sofort nach der nächsten Gelegenheit, es ihrem Mann heimzuzahlen.
    »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, wie naiv Sie sind, Aldous?«
    Der junge Mann stürzte sich mit Wonne auf dieses Wort. »Ich bin naiv, Professor Beard! Ich habe nur die Wissenschaft im Kopf, sonst nichts. Ich bin naiv, weil ich keine Leute kenne und niemals ausgehe. Ich gehe nach Hause und arbeite im Gartenhäuschen meines Onkels, nicht selten bis zum Morgengrauen. So war ich schon immer. Aber meine Arbeit steht Ihnen zur Verfügung. Ich habe eine Akte für Sie angelegt. Für Sie, und sonst niemand. Bitte sagen Sie, dass Sie das lesen werden. Es ist ungeheuer wichtig.«
    Bis dahin hatten die beiden Männer sich keine zwei Meter voneinander entfernt gegenübergestanden, Aldous mit verschränkten Armen vor dem Sofa, als wolle er sich vor einem drohenden Verhängnis schützen - oder verhindern, dass Beards Morgenmantel aufging. Beard trat einen Schritt zurück. Er hatte Aldous' Gerede satt, er wollte allein sein.
    »Sie können jetzt gehen«, sagte er. »Ich bin morgen im Institut und erwarte Sie um elf in Jock Brabys Büro.«
    Während Beard Richtung Tür ging, flehte Aldous ihn an, er schrie beinahe: »Kein Mensch wird mich jemals wieder einstellen. Das ist Ihnen doch klar, oder? Aber hier geht es um die Sache, nicht um Rache.«
    An der Wohnzimmertür drehte Beard sich noch einmal um und sagte: »Bevor Sie gehen, wischen Sie die Schweinerei im Flur auf.«
    »Professor Beard!«
    Aldous, der es einfach nicht wahrhaben wollte, lief kopfschüttelnd, mit aufgerissenem Mund, in dem man seine riesigen Zähne sah, und ausgestreckten Armen auf ihn zu, vermutlich in der Absicht, Beards Knie zu umklammern und um Gnade zu winseln. Die hätte er gewiss auch erlangt, denn Beard lag nichts daran, seine häusliche Niederlage vor Braby und damit vor dem ganzen Institut ausgebreitet zu sehen. Der Chef, betrogen und zum Narren gehalten von einem der Pferdeschwänze. Doch Aldous kam nie bei Beard an, er schaffte kaum zwei Meter der Strecke. Das Eisbärenfell auf dem polierten Parkett erwartete ihn. Es erwachte zum Leben. Als sein rechter Fuß auf dem

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