Solar
trennen würden, nicht weil sie sich grundsätzlich nicht mehr leiden konnten - obwohl sie im Moment nicht gut auf ihn zu sprechen war -, sondern weil er in fünf Jahren elf Affären gehabt hatte und sie nur eine. Kein sehr ausgewogenes Ergebnis, es galten nun einmal unausgesprochene Regeln, in guten wie in schlechten Tagen.
Als er das Gartentor aufstieß, quietschte es wie üblich oder quakte doch eher kläglich, wie zum Abschied. Er war traurig, litt aber keine Qualen mehr. Dank der netten Zugbekanntschaft, deren Namen er schon wieder vergessen hatte, dem Besuch bei Tarpin, dem keuschen Intermezzo am achtzigsten Breitengrad (er war fast vollständig geheilt) war ihm wieder eine dickere Haut gewachsen. Er hatte sich, wenn auch kaum merklich, verändert. Er war voller Reue, er bedauerte, dass er den Trick nicht kannte, mit dem er Patrice zurückgewinnen konnte, aber er hatte sich damit abgefunden. Er würde jetzt ins Haus gehen und damit beginnen, die Kulissen seiner Ehe abzubauen. Noch heute wollte er seine Sachen packen. In den dunklen Nachmittagsstunden auf dem eingefrorenen Schiff hatte er Zeit zum Nachdenken gehabt und sich vorgenommen, nur persönliche Habe mitzunehmen. Alles andere konnte sie behalten, Sofas, Läufer, Gemälde, Messer und Gabeln, und wenn sie ihren Vater, einen Investmentbanker, überreden konnte, Beard seine Hälfte auszuzahlen, konnte sie auch das Haus haben. Er wollte die Trennung so schmerzlos und zügig wie möglich hinter sich bringen. Sollte sie doch bei Tarpin einziehen. Wenn auf dessen Stoppelrasen schon Platz für ein Boot, eine Straßenlaterne und eine Telefonzelle war.
Die Räder seines Koffers ratterten klagend über den Gartenweg. Seine letzte Heimkehr. Es beruhigte ihn, dass er früher dran war als geplant, Patrice also nicht zu Hause sein würde, um ihn nicht zu begrüßen, seine Ankunft zu ignorieren, denn es war Freitag, ein voller Unterrichtstag, an dem nachmittags eine Schar wie aus einem Mund falsch singender Kinder im Schneidersitz ihrer harrte, um am Klavier begleitet zu werden - Details aus ihrem Leben, die er bald vergessen beziehungsweise gar nicht mehr mitgeteilt bekommen würde.
Als er sich, vor der Haustür angelangt, mühsam über den erstarkten Fettwall seines Bauches bückte, um seine Aktentasche nach dem Schlüssel zu durchwühlen, bemerkte er eine Veränderung. Der cremefarbene Drahtkorb, in den die Milchflaschen kamen, dieser Korb mit der runden Scheibe und dem drehbaren roten Pfeil, mit dem man dem Milchmann die gewünschte Menge anzeigen konnte, befand sich nicht am angestammten Ort. Er war einen halben Meter nach rechts geschoben oder getreten worden und hatte auf dem Treppenabsatz einen undeutlichen rechteckigen Schmutzrand hinterlassen. Jetzt stand der Korb schräg, das mitteilungsfreudige Gesicht der Mauer zugewandt. Er rückte ihn nicht zurecht. Wozu? Bald würde er eine neue Behausung beziehen - ihm schwebte eine kleine, weißgetünchte Wohnung vor, ohne jeden Schnickschnack, sein heimisches Spitzbergen: Dort würde er eine neue Zukunft für sich entwerfen, abnehmen, gelenkig werden und sich für neue Ziele stählen, über deren Natur er sich noch im Unklaren war.
Er fand den Schlüssel, öffnete die Tür und bemerkte, als er sein Gepäck in den Flur zog, eine weitere Veränderung, diesmal in der Luft. Sie war feucht oder warm, oder beides, und roch eigentümlich. Das Wasser auf dem Parkett, eine Spur empörender Fußabdrücke oder fußgroßer Pfützen, die von der Treppe zum Wohnzimmer führte, sprach eine deutliche Sprache. Jemand - Tarpin natürlich, dieser Dauerneptun - war achtlos aus der Dusche gestiegen und fühlte sich offenbar wie zu Hause.
Ohne zu zögern, nur von dem Gedanken erfüllt, den Eindringling rauszuschmeißen, folgte Beard der wässrigen Spur und trat ins Zimmer. Die Sache war mehr als eindeutig, denn dort saß er mit tropfnassen Haaren auf dem Sofa, im Morgenmantel - in Beards schwarzseidenem Morgenmantel mit Paisleymuster, den Patrice ihm zum Valentinstag geschenkt hatte -, starr vor Schreck, die aufgeschlagene Zeitung auf dem Schoß. Aber es war nicht Tarpin - und Beard brauchte einige Sekunden, um sich darauf einzustellen. Der Mann auf dem Sofa war Aldous, Tom Aldous, der Nachwuchswissenschaftler, der Schwan von Swaffham, aus dessen Pferdeschwanz jetzt ein Tropfen aufs Polster fiel, während die zwei Männer sich schweigend anstarrten.
Beards Versuche, sich auf die Situation einzustellen, wurden durch abwegige Fragen und
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