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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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diese Frauen hätten Klasse und bewiesen eine enorme Abgeklärtheit. Die drei Schwindlerinnen dagegen waren nicht besonders schön. Doch wie konnte er sich nicht die fiktiven Nächte, die sie mit ihm verbracht hatten, zugutehalten? Er fühlte sich geschmeichelt.
    Alles in allem war es jedoch eine schlimme Zeit. Angefangen hatte es ziemlich harmlos mit einem bestätigenden Mausklick; man hatte ihm die nominelle Leitung eines Regierungsprogramms angetragen, das den Physikunterricht an Schulen und Universitäten fördern, mehr Studenten und Lehrer für die Physik gewinnen sowie Erfolge der Vergangenheit feiern und aus Physikern Helden des Geistes machen sollte. Als die Anfrage kam, war er beschäftigt wie noch nie zuvor in seinem Leben und hätte ohne weiteres ablehnen können. Er leitete ein Forschungsprojekt zur künstlichen Photosynthese am Imperial College, bei dem fünfzehn Leute für ihn arbeiteten. Auch für das Institut für Erneuerbare Energien war er noch tätig, vor allem wegen des Honorars. Und weil Jock Braby nichts von seinem neuen Projekt erfahren sollte. Beard hatte eine Firma gegründet, er erwarb Patente auf Katalysatoren und andere Verfahren, und er hatte Toby Hammer gefunden, einen drahtigen Extrinker, der gute Kontakte zur Universitätsbürokratie, zu Parlamentariern und den Familien von Risikokapitalgebern hatte und als Kuppler und Mittelsmann fungierte. Beard und Hammer hatten lange nach einem sonnenreichen Gelände gesucht, erst in der libyschen Sahara, dann in Ägypten, dann in Arizona und Nevada und schließlich, ein annehmbarer Kompromiss, in New Mexico. Jetzt war Beard voller Tatendrang und konnte auf viele seiner alten Pöstchen verzichten. Aber diese Anfrage kam über das Physikalische Institut, da konnte er schlecht ablehnen.
    Und so versammelte sich das Komitee in einem Seminarraum des Imperial College zu einem ersten Treffen. Seine Mitstreiter waren drei Physikprofessoren aus Newcastle, Manchester und Cambridge, zwei Gymnasiallehrer aus Edinburgh und London, zwei Schuldirektoren aus Belfast und Cardiff und eine Professorin für Wissenschaftsforschung aus Oxford. Beard bat die Anwesenden, sich kurz vorzustellen, von ihrem Werdegang und ihrer Arbeit zu berichten. Das war ein Fehler. Die Physikprofessoren fanden kein Ende. Sie bildeten sich etwas auf ihre Arbeit ein und konkurrierten instinktiv miteinander. Der erste hatte sich detailliert geäußert, also standen der zweite und dritte ihm in nichts nach.
    Nicht nur aus Neigung wartete Beard ungeduldig darauf, dass die Professorin für Wissenschaftsforschung sprach, auch aus Neugier: Er hatte von diesem Gebiet noch nie gehört. Sie war als Letzte dran. Nancy Temple, so ihr Name, hatte ein rundes, nicht direkt hübsches, aber angenehm offenes Gesicht mit Apfelbäckchen. Er fand, es könnte nicht schaden, sie zum Essen einzuladen. Sie begann mit der Feststellung, dass sie die einzige Frau im Raum sei und in der Zusammensetzung des Komitees eins der Probleme zutage trete, mit denen dieses sich vielleicht beschäftigen sollte. Jeder am Tisch, auch Beard, der alle Anwesenden außer Nancy Temple eingeladen hatte, murmelte nachdrücklich Zustimmung. Sie sprach mit dem hypnotischen Singsang von Ulster. Tatsächlich war sie in einem bürgerlichen Vorort von Belfast aufgewachsen und hatte an der Queens University Sozialanthropologie studiert.
    Sie sagte, am besten könne sie ihr Fachgebiet anhand ihres aktuellen, auf vier Monate angelegten Projekts erklären. Ihr Forschungsobjekt sei ein Glasgower Genlabor, das sich mit der Isolierung und Darstellung des TRIM5 -Gens beim Löwen und seiner Funktion befasse. Ihr Ziel sei es, den Beweis zu erbringen, dass dieses Gen, oder überhaupt jedes Gen, eine rein gesellschaftliche Konstruktion sei. Ohne die »Texterzeugungswerkzeuge« der Wissenschaftler - das Einzelphoton-Luminometer, die Durchflusszytometrie, Immunfluoreszenz und so weiter - könne man die Existenz des Gens nicht postulieren. Man brauche sehr viel Geld, um diese Werkzeuge anzuschaffen und ihren Gebrauch zu erlernen, und das sei gesellschaftlich relevant. Das Gen sei kein objektiv existierender Gegenstand, der nur darauf warte, von Wissenschaftlern aufgespürt zu werden. Es existiere einzig und allein als Konstrukt ihrer Hypothesen, ihrer Kreativität und ihrer Instrumente, ohne die es nicht nachweisbar sei. Und wenn es am Ende anhand seiner sogenannten Basenpaare und seiner wahrscheinlichen Funktion dargestellt werde, habe diese Beschreibung,

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