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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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seien darüber geteilter Meinung. Nein. Der wissenschaftliche Befund ist einfach, eindeutig und über jeden Zweifel erhaben. Meine Damen und Herren, das Phänomen ist seit hundertfünfzig Jahren bekannt und Gegenstand von Untersuchungen, ebenso lange, wie Darwins Entstehung der Arten auf dem Markt ist. Es ist ebenso unwiderlegbar wie das Prinzip der natürlichen Auslese. Wir kennen den Mechanismus, wir haben das alles geprüft und gemessen, die Zahlen sind eindeutig, die Erde erwärmt sich, und wir wissen, warum. Es gibt keine wissenschaftliche Kontroverse, nur diese schlichte Tatsache. Das mag Sie traurig stimmen oder Ihnen Angst machen, aber es sollte Sie auch nicht länger zaudern lassen. Wagen Sie den nächsten Schritt.«
    Erneut wogte Übelkeit in ihm auf und drohte mit peinlichen Konsequenzen. Ihm brach der kalte Schweiß aus, er hatte Schmerzen und konnte sich kaum noch aufrecht halten. Um sich abzulenken, musste er weiterreden. Und zwar schnell. Der Verfolger saß ihm im Nacken, er musste sich beeilen.
    »Also« - er quetschte das Wort durch etwas Klebriges in seiner Kehle - »gestatten Sie mir, Ihnen ein paar Vorschläge zu unterbreiten. Meinen Quellen zufolge stehen die von Ihnen vertretenen Organisationen für ein Investitionsvermögen von insgesamt vierhundert Milliarden Dollar. Auf den globalen Märkten herrscht Goldgräberstimmung, manchmal hat man den Eindruck, die Party werde nie zu Ende gehen. Und doch möchte ich Ihr Augenmerk auf eine Branche lenken, deren Umsätze sich alle zwei Jahre verdoppeln und die damit alle anderen weit hinter sich lässt. Ihnen mag das nicht entgangen sein, und doch schenken Sie dem bislang vielleicht keine Beachtung. Nicht seriös genug, nur eine vorübergehende Modeerscheinung, mögen Sie gedacht haben, zu viele geldgierige Althippies aus Stanford dabei. Doch mit von der Partie sind auch bp , General Electric, Sharp, Mitsubishi. Erneuerbare Energie. Die Revolution hat längst begonnen. Ein noch profitableres Geschäft als das mit Kohle und Öl, denn heute ist die Weltwirtschaft um ein Vielfaches größer, die Zuwachsraten sind wesentlich höher als früher. Da liegen gigantische Profite drin. Es brodelt geradezu in dieser Branche, Innovationen allenthalben, und vor allem Wachstum. Tausende nicht börsennotierte Unternehmen entwickeln neue technische Verfahren. Wissenschaftler, Ingenieure und Konstrukteure drängen in diesen Markt. Patentämter und Lieferanten kommen kaum mehr hinterher. Wir stehen vor einem Ozean der Träume, realistischer Träume, Wasserstoff aus Algen zu gewinnen, Flugzeugtreibstoff aus genetisch veränderten Mikroben, Strom aus Sonnenlicht, Wind, Gezeiten, Wellen, Zellulose, Hausmüll; wir werden Kohlendioxid aus der Luft filtern und zu Treibstoff machen, wir werden die Geheimnisse der Pflanzen aufdecken und nachahmen. Ein Außerirdischer, der auf unserem Planeten landet und sieht, welche Unmenge an Sonnenenergie auf ihn einwirkt, wäre überrascht zu erfahren, dass wir ein Energieproblem zu haben glauben, dass wir jemals auf die Idee kommen konnten, uns selbst zu vergiften, indem wir fossile Brennstoffe verbrauchen und Plutonium herstellen.
    Stellen Sie sich vor, wir begegnen am Waldrand einem Mann. Es regnet in Strömen. Der Mann ist kurz vorm Verdursten. Er hat eine Axt und fällt damit Bäume, um den Saft aus den Stämmen zu saugen. Nur ein paar Schlucke pro Baum. Um ihn her ist alles verwüstet, Bäume liegen am Boden, kein Vogel singt, und er weiß, der Wald wird bald verschwunden sein. Warum legt er nicht einfach den Kopf in den Nacken und trinkt den Regen? Weil er so gut Bäume fällen kann, weil er das schon immer so gemacht hat, weil ihm Leute, die das Regentrinken befürworten, suspekt sind.
    Dieser Regen ist unser Sonnenlicht. Eine Energiequelle, die unseren Planeten tränkt, die unser Klima und alles Leben in Gang hält. Das Licht, ein freundlicher Photonenregen, fließt ununterbrochen auf uns herab. Ein Photon trifft auf einen Halbleiter und setzt ein Elektron frei, und schon haben wir Strom, so einfach ist das, man braucht nur einen Sonnenstrahl. Das nennt man Photovoltaik. Einstein hat das Phänomen beschrieben und dafür den Nobelpreis bekommen. Würde ich an Gott glauben, würde ich sagen, dies sei sein größtes Geschenk an uns. Da ich nicht an Gott glaube, sage ich, wie wohlgesinnt sind uns die Naturgesetze! Mit dem Ertrag von weniger als einer Stunde Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche ließe sich der Energiebedarf der

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