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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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leidenschaftsloser Hilfsbereitschaft bereits die Bewegungsrichtung analysiert und die voraussichtliche Flugbahn eingezeichnet, und diese Flugbahn endete genau im Zentrum des Schirms. Ich überschlug die Wucht des Projektils. Die dritte Stufe einer ARIANE-Rakete hatte eine Masse, die zwischen zehn und fünfzehn Tonnen lag, und diese Masse kam genau auf uns zu, genau auf die Station. Diese Masse würde uns treffen, und sie würde mit der Wucht eines aufprallenden Panzers bei uns einschlagen.
    Moriyama hieb auf eine Taste des Bordsprechgeräts. »Moriyama hier. Tanaka, wie kommen Sie voran?«
    Einen Moment war Stille, dann drang Tanakas Stimme aus dem Lautsprecher. »Es ist nicht so einfach, wie wir dachten. Im Augenblick sind wir dabei…«
    »Wann können wir senden?«
    »Oh… Nicht vor heute abend.«
    »Das ist zu spät. Brechen Sie ab und kommen Sie sofort auf die Brücke. Ein Riesenbrocken rast auf uns zu, und wie es gerade aussieht, wird er in etwa zwanzig Minuten Schrott aus uns machen.«

KAPITEL 15
    »Die denken nicht daran, die Selbstzerstörung auszulösen«, grollte Moriyama erbittert, als der Radarreflex den Achtzehn-Kilometer-Radius passierte, und der Tonfall, in dem er das sagte, ließ keinen Zweifel an dem Maß der Verachtung, das er für die stümperhaften Kontrolleure des näher kommenden Flugkörpers empfand.
    Wir hatten uns alle um den Radarschirm geschart und starrten den hellen weißen Fleck darauf mit einer Intensität an, als könnten wir seine Flugbahn allein durch die geballte Kraft unserer Gedanken beeinflussen.
    »Wir sollten Raumanzüge anziehen und alle Schotten bereitmachen«, schlug Tanaka nervös vor.
    »Und dann?« fragte Moriyama grimmig. »Wenn uns dieser Koloß trifft und die Station zerlegt, was machen wir dann? Ohne Funkverbindung?«
    Kim stieß plötzlich einen kieksenden Schrei aus, der unter anderen Umständen komisch gewirkt hätte. »Die Montageplattform!« rief er aufgeregt. »Warum nicht ihm entgegenfliegen mit der Montageplattform, ihn anpacken und aus der Bahn drängen? Schon geringe Abweichung wird ihn nur Solarfläche durchschlagen lassen, und das ist reparierbar…«
    »Ikimasho! Worauf warten Sie?« unterbrach ihn Moriyama ungeduldig. »Rasch, stellen Sie fest, ob die Fernsteuerung funktioniert.«
    Kim paddelte mit hektischen Bewegungen zu dem entsprechenden Schaltpult mit der Fernsteuerung, schnallte sich an und drückte in rascher Folge eine Reihe von Tasten. Auf dem Bildschirm vor ihm erschien eine Kopie des Radarbildes. »Ja!« rief er. »Fernsteuerung funktioniert.«
    »Dann fliegen Sie los!«
    Die Montageplattform war eine Art Weltraum-Lastwagen. Sie bestand aus einer Trägerplattform, auf deren Oberseite alle möglichen Befestigungsvorrichtungen für Bauteile jedweder Gestalt angebracht waren, ferner eine rundum bewegliche Beobachtungskamera, die ihr Bild an die Fernsteuerung übertrug, und zwei fernlenkbare Manipulatorarme. Die Plattform verfügte über eine Reihe verschiedener Steuertriebwerke; extrem schubschwache, simple Gasventile für feinste Bewegungen, aber auch stärkere Verbrennungstriebwerke für rasches Fortkommen mit größeren Lasten. Genau diese Triebwerke schaltete Kim jetzt ein. Genau betrachtet, war die Plattform das ideale Instrument für diesen Job.
    Vorausgesetzt, sie erreichte die Raketenstufe rechtzeitig.
    Auf dem Radarschirm war jetzt ein zweiter Punkt in Bewegung. Auch hierfür berechnete der Computer die voraussichtliche Flugbahn, und diese Linie erlaubte es Kim, die Plattform zielstrebig auf Kurs zu bringen.
    »Abstand sechzehn Kilometer.«
    »Schneller, Kim«, mahnte Moriyama nervös.
    Kims Finger flogen über die Tastatur, um den Computer dazu zu bewegen, eine geschwindigkeitsoptimale Annäherung an die Raketenstufe zu berechnen. Auf dem Schirm erschien in dunkelblauer Farbe eine andere, gebogene Flugbahn für die Plattform: sie beschleunigte, würde bald wieder abbremsen und mit computergenau berechnetem Vorhalt auf die ARIANE treffen. Der Treffpunkt würde in neun Kilometern Entfernung liegen. Kim bestätigte den Vorschlag, und die Farbe der geplanten Flugbahn wechselte von dunkelblau zu hellgrün. »Okay«, meinte er. »Wir schaffen es.«
    Hier und da war ein verstohlenes Aufatmen zu hören, aber niemand wagte es, wirklich erleichtert zu sein. Wir starrten weiterhin gebannt auf die Radarschirme und verfolgten die Bewegungen der beiden hellen Punkte, als hinge unser Leben davon ab. Höchstwahrscheinlich hing unser Leben ja

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