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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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tatsächlich davon ab.
    Moriyama sah sich um und fragte dann, an Tanaka gerichtet: »Wo ist Sakai?«
    »Noch im Labor, etwas ausprobieren.«
    Moriyama beugte sich zur Bordsprechanlage.
    »Sakai, sollten Sie in den nächsten fünf Minuten imstande sein zu senden, dann rufen Sie bitte zuallererst Kourou und sagen ihnen, sie sollen ihren verdammten Satelliten sprengen.«
    »Hai«, kam Sakais Antwort. »Aber rechnen Sie lieber nicht damit.«
    Kim starrte mit bebenden Lippen auf seinen Bildschirm, auf dem der Leuchtpunkt, der die Plattform kennzeichnete, gerade in die Bremsphase überging. »Es klappt.«
    Yoshiko verkündete weiterhin die Annäherung der Raketenstufe, mit einer Stimme, die plötzlich staubig und kehlig klang. »Abstand zwölf Kilometer.«
    Die Plattform folgte immer noch unbeirrbar ihrem vorausberechneten Kurs. Die Bewegung fester Körper in der Schwerelosigkeit und im Vakuum, also ohne Reibung, ohne Luftwiderstand und ohne sonstige schwer kalkulierbare Einflüsse läßt sich mit einer Genauigkeit vorherbestimmen, die immer wieder erstaunlich ist.
    »Wir sollten trotzdem Raumanzüge anlegen«, meinte Moriyama halblaut zu seinem Stellvertreter Tanaka. »Und wir müssen Jayakar freilassen; wir haben festgestellt, daß er unschuldig sein muß.«
    »Tatsächlich?« wunderte sich Tanaka und riß die Augen auf. »Wie das?«
    »Erkläre ich Ihnen nachher.«
    »Abstand zehn Kilometer«, verkündete Yoshiko.
    Die beiden hellen Punkte waren einander jetzt schon sehr nahe. Auf einem anderen Bildschirm war ein vergrößerter Bildausschnitt zu sehen, und man konnte gut verfolgen, wie die Plattform ihre Geschwindigkeit an die der ARIANE-Stufe anglich und behutsam näher glitt. Kim legte die Hand lauernd auf eine breite Taste. Auf seinem Bildschirm erschien jetzt ein Countdown, der den restlichen Abstand herunterzählte. Noch zwanzig Meter… noch zehn Meter… noch fünf Meter… noch einen Meter… Die Automatik der Plattform griff in diesem Augenblick mit den Greifarmen nach dem einzufangenden Objekt.
    »Kontakt!« rief Kim triumphierend in dem Augenblick, in dem er seine Taste drückte.
    »Abstand neun Kilometer«, erklärte Yoshiko.
    »Kim, Sie sind ein Genie«, stieß Moriyama hervor. »Und jetzt – werfen Sie den verdammten Burschen aus seiner Bahn.«
    »Aye, Kommandant«, lächelte Kim und griff nach den Hebeln der Handsteuerung. Eine Reihe von Leuchtbalken, die den wirksamen Schub anzeigten, kletterten rasch in die Höhe und erreichten den roten Bereich. Einige Warnlampen blinkten aufgeregt, aber Kim ignorierte sie.
    Eine Weile geschah nichts.
    Dann fing die Linie auf dem Radarschirm, die die voraussichtliche Flugbahn der Raketenstufe zeigte, an zu zittern – und verschob sich um eine Winzigkeit zur Seite, so daß sie den Mittelpunkt des Schirms nicht mehr berührte.
    Wir stießen unwillkürlich ein Freudengeheul aus. Der europäische Satellit würde mitsamt seiner Trägerstufe zwar immer noch unsere Solarfläche zerfetzen, aber die Station selbst verfehlen. Eine winzige Änderung der Flugbahn, wenige Grad nur, vielleicht nur Bruchteile eines Grades, die über Leben und Tod entschied.
    »Abstand acht Kilometer«, verkündete Yoshiko mit einem Seufzer. Einem hinreißenden Seufzer.
    »Was meinen Sie, Kim«, fragte Moriyama, »können Sie den Satelliten so weit aus der Bahn drängen, daß er auch unsere Solarfläche verschont?«
    Kim verzog das Gesicht. »Schwierig zu sagen. Ich gebe maximalen Schub; das ist alles, was ich tun kann. Lust hätte ich, ihn den ESA-Leuten auf den Kopf zu schmeißen.«
    Tanaka verfolgte die Bewegung des Radarreflexes mit skeptischem Gesichtsausdruck. »Hoffentlich kommen sie nicht auf die Idee, ihn zu sprengen, wenn er gerade an uns vorbeifliegt«, murmelte er unbehaglich.
    Die vorausberechnete Bahn des Flugkörpers begann ein zweites Mal zu zittern.
    »Gut so«, nickte Moriyama. »Je weiter weg, desto besser.«
    Das Zittern wurde stärker, dann erlosch die Linie auf dem Schirm und wurde wieder neu gezeichnet. Und diesmal führte sie wieder genau durch den Mittelpunkt des Radarschirms.
    »Kim«, fragte Moriyama beunruhigt, »was ist das? Wieso zielt die Flugbahn jetzt wieder auf uns?«
    »Ich weiß es nicht, Kommandant«, rief Kim entgeistert. Er ließ eine Reihe schematischer Darstellungen, Übersichten und Kontrollkurven auf dem Bildschirm erscheinen und studierte sie mit fassungslosem Kopfschütteln. »Es sieht so aus, als ob es Gegenschub gibt von der europäischen

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