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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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zu sanftmütig – ich war nicht hart genug, ich war nicht grausam genug…«
    Sein wutverzerrtes Gesicht beherrschte den ganzen Bildschirm, und wir starrten darauf wie hypnotisierte Kaninchen. Es war nicht zu erkennen, in welchem Raum Khalid war.
    Plötzlich hatte er eine rosarote Gaspatrone in der Hand und hielt sie dicht vor das Objektiv, als wolle er sie uns ins Gesicht drücken. »Dieses Medikament wollte Ihre Ärztin an sich bringen. Was hat Ihr Kommandant für eine seltsame Krankheit, daß er mit einem Betäubungsgas behandelt werden muß? Das war alles ein Trick, ein abgekartetes Spiel, mit dem Sie mit hereinlegen wollten, und ich durchschaue es jetzt.
    Moriyama simuliert. Ich weiß es von hier aus. Ich kann es fühlen, als ob es ein Teil von mir wäre. Sie werden mich nicht noch einmal belügen, das schwöre ich Ihnen beim Barte des Propheten…«
    Khalids Worte lösten eine verschwommene, schwache Erinnerung in mir aus, zu diffus, um greifbar zu werden. Da war irgend etwas, aber ich wußte nicht, was. Etwas Wichtiges. Ich starrte sein Gesicht an und begriff plötzlich etwas von der Gefährlichkeit dieses Mannes. Bis zu diesem Moment hatte ich Angst vor Ralf gehabt, und Khalid für einen Mann gehalten, der zwar ein Gangster sein mochte, mit dem man aber grundsätzlich reden konnte, verhandeln, auf einer vernünftigen Basis Übereinkünfte treffen. Jetzt ahnte ich plötzlich, wie falsch ich damit lag. Ralf mochte ein psychopathischer Killer sein, aber er war nichts gegen Khalid. Ralf mochte verrückt sein, aber er war es innerhalb der Grenzen unserer Welt. Khalid dagegen gehorchte ganz eigenen Gesetzen und war nicht nach unseren Maßstäben zu messen. In diesem Augenblick erschien er mir wie ein Wesen aus einem anderen Universum.
    Eben noch sinnlos rasend und tobend, wurde er übergangslos ruhig, gefährlich ruhig, kalt wie Eis.
    »Ich hoffe, Sie schauen jetzt alle gut zu«, sagte er mit zornig funkelnden Augen. »Ich werde jetzt nämlich ein Exempel statuieren, wie ich es schon längst hätte tun sollen. Ich werde dieses Exempel jederzeit wiederholen, so lange, bis Sie gelernt haben, meine Macht zu respektieren, oder bis Sie alle tot sind.«
    Er trat offenbar zur Seite, denn sein Gesicht verschwand vom Schirm, und wir sahen das Innere des Biolabors. Oba schwebte in der Mitte des Raumes, mit großen, angstvoll geweiteten Augen, die Hände verkrampft vor die Brust gepreßt, den Kopf zwischen den hochgezogenen Schultern in den Nacken gelegt. Der Grund dafür war Ralf, der mit einem furchterregend ekstatischen Gesichtsausdruck hinter ihr hing und sie an den Haaren festhielt. Nun setzte er den Lauf des Revolvers von hinten auf den Schädel der Ärztin und suchte den Blick Khalids, während Oba angstvoll aufschrie. Ich mußte daran denken, was sie mir erzählt hatte, von dem Mann, der auf sie wartete, und von dem Haus mit dem Blick auf das Meer. Ihr Arztkoffer trieb durch das Bild, offen, in einer Wolke von Ampullen und Binden und Scheren und Spritzen. Der Mann würde vergebens warten. Das Meer würde sie nie wiedersehen. Khalids Nicken, das Ralf galt, war das letzte, was Oba in ihrem Leben sehen sollte. Ralf schoß, und Obas Körper bäumte sich auf. Das Geschoß trat nicht wieder aus, aber ihr Gesicht, ihr ganzer Schädel war plötzlich deformiert. Und obwohl die Frau ohne einen Zweifel tot war, schoß Ralf ein zweites Mal. Vielleicht schoß er auch noch einmal, aber in diesem Augenblick wurde der Bildschirm wieder dunkel.
    Das, was mir ins Gedächtnis eingegraben blieb und was ich wie ein langsam verlöschendes Nachbild noch auf dem Schirm zu sehen glaubte, war der Ausdruck unverstellter, lustvoller Grausamkeit in Ralfs Augen, der nackte Blutrausch.

KAPITEL 23
    Wir hatten etwa anderthalb Stunden den rätselhaften Geräuschen gelauscht, die von draußen zu hören gewesen waren. Es hatte nach Arbeit geklungen, so, als bauten die Piraten irgendwelche Maschinen aus; man hatte Stimmen gehört, aber nicht verstanden, was sie sagten, und so sehr wir uns auch die Köpfe zerbrachen, wir kamen nicht dahinter, was das alles zu bedeuten haben mochte.
    Dann endlich öffnete sich das Schott, und diesmal waren sie alle draußen, alle vier, und alle trugen sie ihre Revolver schußbereit. Es war fast zuviel der Ehre für uns.
    »An Bord dieser Raumstation«, begann Khalid drohend, »gibt es zuviel Spielsachen, von denen ich nichts weiß. Deshalb werden Sie jetzt die Unterkunft wechseln. Kommen Sie, meine Herren…«
    Wir

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