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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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der rasch breiter wurde und durch den blendend helles Licht in die beiden Schleusen drang. Die beiden Schleusen, die durch diesen Spalt voneinander getrennt wurden.
    »Das ist genial«, hauchte Jayakar kopfschüttelnd. »Sie koppeln uns ab!«
    »Was?! Sind die wahnsinnig?« rief Moriyama entsetzt.
    »Sie koppeln uns ab. Das ist das perfekte Gefängnis.«
    Die Piraten hatten einfach den Verschluß des Kopplungsmechanismus gelöst, und der Luftdruck in dem durch die beiden Schleusenräume gebildeten Verbindungsgang hatte ausgereicht, um die Raumkapsel von der Station wegzudrücken. Für einen Moment war die entweichende Luft wie ein feiner Nebel im Weltraum zu sehen, dann war sie verweht.
    Moriyama drängte sich neben Jayakar an den Sehschlitz. »Was für eine Art Gefängnis soll das sein? Eine Todeszelle? Wir treiben ab, und wir werden unaufhaltsam immer weiter abtreiben. Er hätte uns auch gleich alle umbringen können.«
    »Wahrscheinlich wissen die überhaupt nicht, was sie da tun«, mutmaßte Tanaka düster. »Man braucht sich nur diese Kapsel hier anzuschauen, um zu ahnen, wie wenig Khalid und seine Leute von der Raumfahrt verstehen.«
    »Da ist ein Haltetau«, warf ich ein. In dem intensiven Licht, das die Solarfläche reflektierte, war es kaum zu erkennen: ein dünnes, sich noch spielerisch in der Schwerelosigkeit windendes Drahtseil, das zwischen der Kopfschleuse und irgendeinem Befestigungspunkt an der Stirnseite unserer Schleuse gespannt war. Es würde verhindern, daß wir weiter als ein paar Meter abtrieben.
    Diese paar Meter reichten schon, um uns sicherer einzusperren, als jemals Menschen auf der Erde in den bestbewachten Gefängnissen eingesperrt gewesen waren. Denn zwischen uns und der Station herrschte Vakuum, eine nahezu vollkommene Luftleere, und ohne Raumanzüge waren diese paar Meter ein unüberwindbarer Abgrund, eine unüberbrückbare Distanz.
    »Tja«, machte Jayakar mit gespielter, übertriebener Fröhlichkeit. »Damit sind wir alle raus aus dem Spiel. Khalid hat uns, wie man so schön sagt, kaltgestellt. Dabei fällt mir ein – könnte mal bitte jemand die Heizung etwas höher drehen?« Er rieb sich frierend die Schultern.
    »Wir sollten lieber überlegen, was wir jetzt tun«, meinte Tanaka.
    Jayakar lachte auf. »Begreifen Sie denn nicht? Wir können genau gar nichts tun! Was immer Khalid jetzt mit unserer Raumstation anstellt, wir haben genauso wenig Einfluß darauf, als wenn wir auf dem Mond säßen!«
    »Sie geben also auf?« fragte Tanaka verärgert.
    »Ich gebe nicht auf«, verwahrte sich Jayakar. »Ich erkenne nur die Gegebenheiten – wozu Sie offenbar nicht imstande sind.«
    Ein leichter Ruck, kaum spürbar, ging durch die Kapsel: das Drahtseil, das nun vollends straff gespannt war und unsere minimale Bewegung abgebremst hatte.
    »Es bringt keinen Nutzen, sich zu streiten in unserer Lage«, ließ sich Kim vernehmen. »Wir können uns die Köpfe zerbrechen über aussichtslose Pläne oder aber geduldig abwarten, was das Schicksal für uns bereithält.«
    Moriyama warf dem Materialwissenschaftler einen überraschten Blick zu und erklärte dann: »Ich wollte auch gerade vorschlagen, daß wir jetzt keine weiteren Gedanken mehr an irgendwelche Pläne verschwenden, die Verbrecher zu überwältigen. Wir haben gerade so ein Vorhaben hinter uns, und wir sehen ja, was es uns gebracht hat.«
    »Ich denke auch, daß wir jetzt genug mit dem bloßen Überleben zu tun haben werden«, warf Yoshiko ein, mit einem aggressiven, bitteren Klang in ihrer Stimme. »Wir haben nur sehr wenig Wasser und einige Trockennahrungsmittel an Bord, und wir haben keine Toilette, nur eine Handvoll Assanierungsbeutel. Wenn unsere Gefangenschaft lang dauert, kann das in eine ziemlich unangenehme Situation ausarten. Ferner steht die Anzeige des Sauerstoffvorrats auf vierzig Prozent, was immer das heißen mag. Und es ist immer noch verdammt kalt.«
    »Wir sind sechs Personen, das heißt, sechs Heizkörper mit einer Temperatur von siebenunddreißig Grad«, warf Jayakar ein. »Und es ist ziemlich eng hier. Wahrscheinlich wird es bald eher zu warm sein.«
    Yoshiko sah ihn mit zornfunkelnden Augen an. »Wir wären sieben Heizkörper, wenn gewisse Männer darauf verzichtet hätten, sich heldenhafte Pläne auszudenken und sie von einer Frau durchführen zu lassen!« Jayakar öffnete den Mund zu einer Erwiderung, dann fiel ihm ein, daß es ja tatsächlich sein Plan gewesen war, und er klappte den Mund wieder zu.
    Ich sah mich um.

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