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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Es gab tatsächlich keine Spur mehr von den Steuerungen; alles war mitsamt den Kabeln herausgerissen worden. Sicher waren die Manövriertanks der Raketenstufe noch gut gefüllt, aber wir hatten keine Möglichkeit, irgendeine der Steuerdüsen zu zünden.
    Dann studierte ich die Luftversorgungsanlage. Sie war denkbar primitiv gebaut, ohne das übliche Kreislaufverfahren, mit dem die Atemluft an Bord der Raumstation aufbereitet wurde. Es gab Sauerstofftanks und ein Druckreduzierventil, einen reichlich schwachbrüstigen Ventilator und eine beängstigend klein dimensionierte Absorbereinrichtung, die dazu diente, das Kohlendioxid und andere unerwünschte Substanzen aus der Luft auszuscheiden. Wir würden Probleme mit dem Kohlendioxid bekommen, lange bevor unser Sauerstoff zur Neige ging.
    Mein Blick glitt durch den engen, zylindrischen Innenraum, in dem wir uns nun drängelten wie in einem Vorstadtbus. Alles wirkte roh und dunkel, rasch und schlampig zusammengebaut, und bildete so einen krassen Gegensatz zu der in der Raumfahrt sonst üblichen Hochtechnologie. Die trübe Beleuchtung, die schief angeschweißten Traversen, die altmodisch wirkenden Andrucksitze, die aus einem ausgeschlachteten Verkehrsflugzeug zu stammen schienen…
    Moment mal. Die Sitze?
    »Wieso sind es eigentlich vier Sitze?« fragte ich mich laut.
    Alle Blicke richteten sich auf mich, dann auf die Sitze, als müsse jeder noch einmal nachzählen.
    »Stimmt«, sagte Tanaka. »Es sind vier Sitze.«
    Ich nickte. »Aber es sind nur drei Leute damit gekommen – Ralf, Sven und Khalid!«
    Noch während alle darüber nachgrübelten, ob das etwas zu sagen haben mochte und wenn ja, was, machte ich mich auf die Suche. Ich hätte nicht recht sagen können, was ich eigentlich suchte; es war eher ein Gefühl, das mich in diesem Moment antrieb. Und was es zu finden gab, war nicht schwer zu finden: die hinteren beiden Andrucksitze bildeten einen schwer zugänglichen, besonders dunklen Winkel, der von der Einstiegsluke aus nicht zu sehen war, und dort hing in einem elastischen Haltenetz ein großer, in einen Plastiksack gehüllter Gegenstand.
    Ich hatte so einen ähnlichen Plastiksack vor noch nicht allzu langer Zeit selber benutzt, deshalb überraschte es mich nicht besonders, daß daraus, als ich ihn hervorgezerrt und geöffnet hatte, der Kopf eines Leichnams zum Vorschein kam. Es war der Leichnam eines älteren Mannes, nicht jünger als sechzig Jahre, und er hatte offenbar den Raketenstart nicht überlebt. Was auch kein Wunder war, wenn man an die schubstarken, nicht für den Transport von Passagieren ausgelegten Triebwerke der europäischen Trägerrakete dachte: der Andruck beim Start mußte sehr viel stärker und brutaler gewesen sein, als dies bei einem Shuttlestart der Fall war.
    Was mich verblüffte, war, daß mir das Gesicht des Toten bekannt vorkam. Und nicht nur mir.
    »Wie kommt denn der hierher?« hörte ich Jayakar stöhnen. »Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr…«
    Moriyama murmelte irgendwelche urjapanischen Beschwörungen. Ich sah ihn hilfesuchend an. »Wissen Sie etwa, wer das ist?«
    »Natürlich, Sie nicht?«
    Ich zuckte die Schultern. »Ich kenne ihn, aber ich weiß nicht, woher…«
    Der Kommandant blickte düster drein. »Denken Sie an Ihre Ausbildung. Und denken Sie an das Telegramm, das ich Ihnen gezeigt habe…«
    Ich starrte auf das wächserne, von schlohweißem Haar gekrönte Antlitz des Toten hinab, und plötzlich wußte ich wieder, wo ich diesen Mann schon einmal gesehen hatte. Es war im großen Hörsaal der Universität von Tokio gewesen. Ich hatte in der drittletzten Reihe gesessen, und dieser Mann hatte vorn am Rednerpult gestanden, von riesigen Solaranlagen im Weltraum gesprochen und von globalen Konzepten der Energienutzung, hatte die physikalischen Grundlagen der Energieübertragung erläutert und uns vorgerechnet, wie unerschöpflich die Energie der Sonne war. Der Tote vor mir war Professor Yamamoto.

KAPITEL 24
    Unsere Diskussion versandete ziemlich bald in unfruchtbaren Spekulationen. Gut, feststand, daß Khalid und seine Helfershelfer es offenbar für nötig befunden hatten, den geistigen Vater der Solarstation zu entführen und ihn mit in den Weltraum zu nehmen. Was sie nicht gewußt hatten – vielleicht hatten sie es auch gewußt, aber keine Rücksicht darauf genommen –, war, daß Yamamoto seit langem an einer chronischen Herzinsuffizienz gelitten hatte. Es war vorauszusehen gewesen, daß er die mörderischen

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