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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hätte einfach nur das Innenluk öffnen und sich hinauszulehnen brauchen, um sie zuzuziehen. So aber war sie unerreichbar. Allein der Versuch, das Innenluk, das nach innen aufging, gegen den Druck der Kabinenatmosphäre zu öffnen, wäre gescheitert, und wenn man es wider Erwarten doch geschafft hätte, wäre man vom Druck der entweichenden Luft hinauskatapultiert worden wie ein Geschoß aus einem Luftgewehr.
    »Worauf warten Sie, Leonard?« ließ sich Jayakar vernehmen. »Darauf, daß ein Engel vorbeischwebt und das Außenluk mit der Flügelspitze zudrückt?«
    Selbst das hätte nichts genützt. Der Engel hätte außerdem das Handrad des Verschlußmechanismus herumdrehen müssen.
    Ich studierte jedes Detail, fieberhaft nach einem Anhaltspunkt suchend. Das Kabel, mit dem die Kapsel an der Solarstation angebunden war, glänzte im Sonnenlicht. Ich fragte mich, woran sie es wohl festgemacht hatten – offenbar an einer der drei Verschlußklammern am äußeren Ring, für die es in der Schleuse der NIPPON keine Gegenstücke gab, weil sie über ein neuartiges, von außen her greifendes Dichtsystem verfügte.
    Die riesige Solarfläche glänzte wie flüssiges Silber. Ob die Flügel eines Engels wohl genauso hell strahlten? Ich wurde allmählich irre, konstatierte ein vernünftig gebliebener Teil meiner Gedanken mißmutig.
    Da war etwas, die schattenhaften Umrisse einer Idee. Sie hatte mit Engeln zu tun. Ich ließ das Guckloch los und sah mich in der engen, immer stickiger werdenden Kapsel um. Apathische, erschöpfte Gesichter blickten mich an.
    »Ziehen Sie den Raumanzug wieder aus, Leonard«, meinte Moriyama müde. »Es hat keinen Zweck.«
    Ich ignorierte ihn. Die Idee nahm Gestalt an. »Kim«, fragte ich, »Sie waren doch beim Bau der Solarstation dabei?«
    Der Koreaner nickte überrascht. »Einige Male, jawohl.«
    »Ich habe irgendwo gelesen, daß die Spinnenroboter, die beim Bau mitgearbeitet haben, durch Sprache gesteuert wurden – stimmt das?«
    »Ja.«
    »Dann müßte«, schlußfolgerte ich, »sich Spiderman fernsteuern lassen, wenn ich mit dem Funkgerät des Raumanzugs auf seine Frequenz gehe, oder?«
    Ich hörte, wie Jayakar neben mir nach Luft schnappte.
    Er hatte erraten, worauf ich hinauswollte.
    Kim blickte skeptisch drein. »Wenn sein Funkgerät noch funktioniert, ja. Er ist sehr lange Zeit nicht technisch geprüft worden, weil man nur noch darauf wartet, wann er endlich ausfällt.«
    »Welche Frequenz hat er?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Sie müßten nach einer Frequenz suchen, auf der regelmäßig alle fünf Sekunden ein hoher Ton ertönt, etwa wie ›Ping‹. Das ist das Bereitschaftsignal.«
    Die Kontrollen des Funkgeräts waren am rechten Handgelenk des Raumanzugs befestigt, große, klobige Rändelschrauben für Lautstärke und Frequenz und breite Schalter für die Stromzufuhr. Ich drehte das Frequenzrad bis an den Anschlag zurück, dann schaltete ich das Funkgerät ein, das in meinem Nacken befestigt war, oben auf dem Versorgungstornister, den ich auf dem Rücken trug. Während ich das Mikrophon, das an einem Bügel vor meinem Mund hing, zuhielt, aus Angst, mich versehentlich auf der Frequenz der Piraten bemerkbar zu machen, durchwanderte ich langsam das ganze Frequenzband und lauschte aufmerksam.
    »Nichts«, sagte ich enttäuscht, als das Frequenzrad den anderen Anschlag erreicht hatte.
    »Darf ich erfahren, was Sie vorhaben, Leonard?« wollte Moriyama wissen.
    »Ich will Spiderman anweisen, zu uns zu kommen und das äußere Luk zu schließen, damit ich die Schleuse benutzen kann«, erklärte ich. »Aber wie es scheint, hat sein Funkgerät inzwischen den Geist aufgegeben.«
    »Ich glaube, Sie haben zu schnell gesucht«, meinte Jayakar. »Sie müssen auf jeder Frequenz mindestens fünf Sekunden lang bleiben, um zu hören, ob ein Ton gesendet wird. Und fünf Sekunden sind lang, wenn man nervös ist.«
    Ohne viel Hoffnung drehte ich das wulstige Rad wieder rückwärts, wesentlich langsamer diesmal. Und ich wurde fündig.
    »Ping!«
    »Da ist es! Kim, was nun?«
    »Jetzt geben Sie Befehle.«
    »In welcher Sprache?«
    »Englisch. Er versteht etwa zweihundert elementare englische Wörter.«
    »Englisch?« wiederholte ich verwundert. Warum nicht gleich Lateinisch? In meiner Jugend war Englisch Weltsprache gewesen, aber heutzutage erwartete man unwillkürlich, daß man sich mit Robotern auf Japanisch verständigen mußte.
    »Das Steuerungsmodul wurde damals von einer amerikanischen Firma entwickelt«,

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