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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ausstreckte und prüfend das Drahtseil zwischen seine Greiffinger nahm, gerade so, als müsse er überlegen, auf welche Weise er die gestellte Aufgabe am besten bewältigen konnte.
    Schließlich ging ein Ruck durch den dünnen, stabförmigen Körper, und Spiderman krabbelte von seinem Platz an der Kopfschleuse auf das Seil, um sich daran entlang auf unsere Kapsel zuzuhangeln, halsbrecherisch schwankend und schaukelnd.
    »Für einen Roboter ist er ziemlich intelligent«, sagte Jayakar. »Er kann in ungewöhnlichen Situationen eigenständig die geeignete Fortbewegungsmethode auswählen.«
    Spiderman kam immer näher. Ich fragte mich, wann er wohl haltmachen würde.
    »NUMBER FOUR, STOP!« sagte Kim, als der Roboter kurz vor der äußeren Schleuse war. Spiderman hielt mitten in der Bewegung inne und schickte wieder sein Ping-Pong.
    »NUMBER FOUR, IDENTIFY DOOR.«
    Ping. Pong.
    »NUMBER FOUR, CLOSE DOOR.«
    Ich hielt den Atem an. Die Antwort Spidermans schien endlos auf sich warten zu lassen.
    Ping. Pong.
    Bedächtig, als müsse er darauf achten, das Gleichgewicht nicht zu verlieren – in der Schwerelosigkeit des Alls eine absurde Vorstellung –, streckte der Spinnenroboter seinen rechten vorderen Handlungsarm aus, langsam, tastend, ruckartig. Ein ferner, kratzender Laut war in der Wandung der Kapsel zu hören, als die Greifhand das Außenluk berührte und langsam in Bewegung setzte. Dann fiel das Luk mit einem donnernden Schlag zu – ein Schlag, der so laut war, daß einen unwillkürlich die Angst durchzuckte, jemand droben in der Station hätte ihn hören können. Aber rings um uns war Vakuum, nahezu völlige Luftleere. Hier hätte eine ganze Shuttleladung Schiffsminen explodieren können, ohne daß man irgendwo irgendeinen Laut gehört hätte.
    Ping.
    »Der Verschluß«, drängte ich. »Er muß den Verschluß des Luks verriegeln.«
    Kim sah mich nervös an. »Ich habe nicht darauf geachtet. Wie sieht der Verschluß aus?«
    »Ein Handrad«, erklärte ich, »in der Mitte des Luks.«
    Kim überlegte kurz und beugte sich wieder über das Mikrophon. »NUMBER FOUR, IDENTIFY WHEEL.«
    Das brauchte eine Weile. Ping-Pong.
    »NUMBER FOUR, CLOSE WHEEL.«
    Diesmal dauerte es noch länger. Doch dann kam nur ein klägliches Ping.
    »Er versteht es nicht.« Ich ballte die Fäuste in den Handschuhen des Raumanzugs. »Verdammt. Er muß das Luk verriegeln, sonst war alles umsonst.«
    »NUMBER FOUR, CLOSE WHEEL!« rief Kim noch einmal.
    Wieder nur: Ping.
    »Das darf nicht wahr sein…« Ich spähte aus einer handtellergroßen Sichtluke neben der Schleuse. Da draußen hockte der riesige, heuschreckenartige Roboter mit seinen eigentümlich melancholisch dreinblickenden Kameraaugen, studierte mit sanftem Interesse seine Umgebung und begriff nicht, was wir von ihm wollten.
    »Wie schließt man eigentlich das Luk?« wollte Jayakar wissen.
    Ich starrte den Roboter unverwandt an, als bestünde Hoffnung, ihn auf diese Weise hypnotisieren zu können.
    »Die einfachste Sache der Welt. Man dreht das Handrad einmal herum und…«
    »Aha«, machte Jayakar bedeutungsvoll. »Man dreht das Handrad.«
    Ich sah ihn an. Dieser verdammte, arrogante Standesdünkel des britischen Intellektuellen. Dieser verdammt schlaue Kopf. Ich nahm Kim das Mikrophon aus der Hand. »NUMBER FPUR, TURN WHEEL CLOCKWISE.«
    Ping-Pong. Ein schabendes Geräusch, dann ein schrilles Quietschen, das durch Mark und Bein fuhr, dann wieder Stille.
    »Ist das Luk jetzt geschlossen?« fragte Kim.
    »Ich hoffe es«, erwiderte ich und machte mich über das Belüftungsventil her, das im Innenluk eingeschweißt war. Ich zögerte nur einen Moment, dann drehte ich den Verschluß auf, eine schlichte Kappenmutter mit eingelassenem Dichtring, und Luft schoß pfeifend aus dem Kapselinneren in die Schleusenkammer. Ich spähte durch das Guckloch in der Schleusentür ins Dunkle. Falls mich meine Erinnerung und meine Beobachtungsgabe getrogen hatten, dann würde der Druck der einströmenden Luft das Außenluk sofort wieder aufdrücken.
    Nichts geschah. Das Außenluk blieb verschlossen.
    Der Druckausgleich schien ewig zu dauern, aber irgendwann ließ das durchdringende Pfeifen nach, wurde zu einem matten Fauchen und hörte schließlich ganz auf. Ich drehte die Dichtungsmutter wieder auf. Das Ventil war jetzt eiskalt.
    »Leonard«, sagte Moriyama mahnend. »Wissen Sie, was Sie da tun?«
    Ich angelte nach meinem Raumhelm. »Wer weiß schon immer, was er tut?« meinte ich leichthin. »Das ist doch

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