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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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erklärte Kim. »Man sagte uns, die englische Sprache sei für einen Computer leichter zu analysieren als asiatische Sprachen. Ich glaube allerdings nicht, daß das wirklich der Grund war, wenn es überhaupt stimmt.«
    Ich nickte geistesabwesend. Im Augenblick interessierte mich diese Geschichte nicht wirklich. Neben den Funkkontrollen war an meinem rechten Handgelenk eine Uhr befestigt, deren Sekundenzeiger unbarmherzig vorrückte und mich mahnend daran erinnerte, daß ich keine Zeit zu verlieren hatte.
    »Wie rede ich ihn an?« wollte ich wissen.
    »Sie nennen einfach seine Nummer. Er ist Nummer vier.«
    Ich räusperte mich, ließ das Mikrophon los und sagte: »NUMBER FOUR?«
    Ein doppelter Ton antwortete mir, ein hoher, gefolgt von einem tieferen, beides glockenartige, hörbar synthetische Klänge. Es klang wie Ping-Pong.
    »Das heißt, daß er Sie verstanden hat«, erläuterte Kim, als ich ihn danach fragte.
    »Gut«, nickte ich. Jetzt würde sich zeigen, ob meine Idee etwas taugte. »Wie sage ich ihm, daß er zur Hauptschleuse kommen soll?«
    »Sie befehlen es ihm einfach. In einfachen Worten.«
    Nun gut. In einfachen Worten. »MOVE TO MAIN LOCK«, sprach ich ins Mikrophon.
    Nichts geschah. Nach einer Weile kam ein gleichmütiges Ping.
    »Er hat Sie nicht verstanden. Sie müssen vor jedem Befehl seine Nummer nennen.«
    Das kam mir logisch vor. Ich versuchte es noch einmal: »NUMBER FOUR. MOVE TO MAIN LOCK.«
    »Ping-Pong«, kam als Antwort in meinen Kopfhörern.
    Ich sah Kim an. »Er hat verstanden, glaube ich. Heißt das, daß er kommt?«
    »Jawohl«, nickte der Koreaner. »Unweigerlich. Er wird sich durch nichts aufhalten lassen, es sei denn, Sie geben ihm einen anderen Befehl.«
    Ich hangelte mich zu einem der Sehschlitze und spähte hinaus. Von dem spinnenartigen Roboter war weit und breit nichts zu sehen.
    »Er ist noch auf der dunklen Seite«, erklärte Kim. »Er muß die ganze Zeit vor der Materialschleuse des Systemdecks auf neue Folie gewartet haben. Ich hatte die Maschine abgeschaltet. Es wird eine Weile dauern.«
    »Wie lange?«
    Der Metallurg überlegte. »Spiderman muß die ganze Solarfläche umrunden, um zu uns zu kommen. Ich nehme an, er wird sich an einem der Hauptspanten entlanghangeln; dort entwickelt er eine Geschwindigkeit von etwa zehn Kilometern je Stunde. Bis zum Rand der Solarfläche sind es zwei Kilometer, dann wendet er auf die helle Seite, noch einmal zwei Kilometer… eine halbe Stunde, etwa.«
    Normalerweise war die Geschwindigkeit des Spinnenroboters völlig unerheblich, schließlich war die Solarfläche so gut wie fertig, und von der gelegentlichen Reparatur von durch Meteoriten beschädigten Elementen einmal abgesehen gab es so gut wie nichts daran zu tun. Jetzt aber hätte ich mir gewünscht, er wäre schneller gewesen oder hätte über ein eigenes kleines Triebwerk verfügt.
    Nach endlosen zwanzig Minuten – wir überquerten gerade die Antarktis – tauchte ein winziger dunkler Punkt auf, der über die endlose, perlmuttglänzende Ebene der Solarfläche wanderte und quälend langsam näher kam. Gebannt verfolgten wir, wie er schließlich, graziös einherstolzierend, den Rumpf der Raumstation erreichte und sich anschickte, die Tunnelröhre zu erklimmen.
    Mir fiel etwas ein. »NUMBER FOUR, MOVE SILENT.«
    Tatsächlich schienen selbst aus dieser Entfernung die Bewegungen des Roboters langsamer und behutsamer zu werden. Ich hatte einmal gelesen, daß man die Roboter darauf eingerichtet hatte, sich so über die Hülle bewegen zu können, daß keinerlei Schwingungen dabei erzeugt wurden – also auch keine Laufgeräusche hörbar wurden. Man hatte sich dabei allerdings weniger Sorgen um den ungestörten Nachtschlaf der Stationsbesatzung gemacht als vielmehr um den ungestörten Verlauf von Mikrogravitationsexperimenten. Uns kam das nun insofern zugute, als es nicht nötig war, daß Khalid auf die Bewegungen des Spinnenroboters aufmerksam wurde.
    »Ping«, erklang es, als Spiderman die Hauptschleuse erreicht hatte.
    »Und jetzt?« wandte ich mich hilfesuchend an Kim, der dicht hinter mir stand.
    Er bedeutete mir, ihm das Mikrophon zu geben. Ich drehte den Haltebügel nach außen und beugte mich zu ihm hinüber, so daß er bequem hineinsprechen konnte.
    »NUMBER FOUR, IDENTIFY ROPE«, befahl Kim.
    Ping-Pong.
    »NUMBER FOUR, MOVE ALONG ROPE.«
    Ping-Pong.
    Fasziniert beobachtete ich durch das Guckloch in der inneren Schleusenluke, wie der Roboter einen seiner vorderen Handlungsarme

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