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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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schlafwandlerischer Sicherheit bewegen konnte, dann war es doch dieser Roboter! Vielleicht konnte ich mir das zunutze machen.
    »NUMBER FOUR«, krächzte ich in mein Mikrophon.
    Ping. Pong.
    Ich griff nach einem der Greifarme, rutschte ab, griff noch einmal zu, fester diesmal, und hatte endlich festen Halt. O mein Gott. Ich hatte gar keine andere Wahl. Spiderman mußte mich transportieren, oder ich war verloren.
    Der Roboter hielt still, während ich ungeschickt an ihm entlangkletterte.
    Vielleicht hätte ich ihn dazu bewegen können, mir zu helfen, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Wenn er nur stillhielt… Ich atmete schwer, als ich schließlich auf seinem Rücken angelangt war, den ich umklammerte wie ein Ertrinkender ein Stück Treibholz.
    »NUMBER FOUR, MOVE TO MICROGAVITY LAB.«
    Zögerndes Schweigen. Dann: Ping. Er verstand nicht, was ich meinte.
    Das durfte nicht wahr sein. Ich starrte ratlos auf die Erde hinunter, auf die kristallblauen Weiten des südlichen Pazifiks, und zermarterte mir das Hirn, auf welches Codewort der Roboter wohl ansprechen mochte. Kim konnte ich nicht mehr fragen. Vielleicht hätte ich mir das alles vorher besser überlegen sollen. Es gab eine Menge Dinge, die ich mir besser hätte überlegen sollen in meinem Leben. Ich warf einen Blick auf die dunkle Raumkapsel und meinte, hinter einem der winzigen Sehschlitze eine Bewegung wahrzunehmen. Natürlich beobachteten sie mich jetzt alle, wie grandios ungeschickt ich hier herumturnte und die Zeit vergeudete.
    Eines der Roboteraugen schwenkte zu mir nach hinten und betrachtete mich aus der Nähe, fast so, als fordere es mich auf, noch einmal gründlich nachzudenken. Und schließlich dämmerte es mir, was für ein Idiot ich gewesen war.
    Woher sollte ein uralter Roboter wissen, in welchem Modul das Mikrogravitationslabor untergebracht war? Schließlich änderte sich die Belegung der Labortrakte alle halbe Jahre. Spiderman kannte die Solarstation nur von außen, und das war auch alles, was er zu wissen brauchte.
    »NUMBER FOUR«, versuchte ich es mit neuem Mut,
    »MOVE TO SERVICE LOCK.«
    Ping. Pong. Erfolg! Mit sanft schaukelnden, graziösen Bewegungen, deren Eleganz ich jetzt nach meinen eigenen Übungen erst so richtig zu schätzen wußte, setzte sich der Roboter in Bewegung. Mühelos, wie es schien, drehte er auf der Stelle um und stakste dann gemächlich das dünne Seil entlang auf die Hauptschleuse zu.
    »NUMBER FOUR«, beeilte ich mich zu befehlen, »MOVE SILENTLY!«
    Spiderman bestätigte diese Anordnung, ohne seine Bewegungen zu verlangsamen. Ich hielt den Atem an, als wir die Hauptschleuse erreichten. Und tatsächlich – der Roboter setzte seine spinnendünnen Beine so sanft und behutsam auf die Außenhülle der Solarstation, als gelte es, auf der Oberfläche eines rohen Eis entlangzumarschieren.
    Ich hörte nichts. Ich preßte meinen Raumhelm auf den Leib Spidermans, aber ich hörte keinerlei Aufsetzgeräusche. Wenn ich nicht gewußt hätte, daß der Roboter nicht frei schweben konnte, hätte ich geschworen, daß er genau das tat. Unhörbar und leise, nur ein dünner schwarzer Schatten auf einer sonnenlichtüberfluteten, blendend hellen Röhrenkonstruktion, schlich Spiderman mit mir auf dem Rücken über das gleißende Metall. Niemand, so hoffte ich, der sich im Inneren der Station aufhielt, bekam etwas davon mit, was sich hier draußen abspielte.
    Von außen wirkte die Solarstation viel größer und geräumiger als von innen, geradezu riesig, selbst wenn man von der gigantischen Solarfläche absah, die sich endlos in alle Richtungen zu erstrecken schien wie eine Trennwand, die das Universum in zwei Hälften schnitt. Wahrscheinlich hing das auch damit zusammen, daß die Module relativ dickwandig konstruiert waren, wegen der Meteoriten und wegen der kosmischen Strahlung. Während meines nervenzerfetzend langsamen Ritts auf dem graziös schaukelnden Roboter fielen mir zahllose kleine Dellen und Kratzer in der ansonsten makellos weiß lackierten Außenhaut auf, Spuren kleiner und kleinster Meteoriten wahrscheinlich, die die Umlaufbahn der Erde um die Sonne ab und zu in mehr oder weniger dichten Schwärmen heimsuchten. Ich erinnerte mich an eine meiner ersten Nächte an Bord der Station, vor einigen Jahren, in der ich immer wieder Geräusche gehört hatte, als werfe jemand von weitem Sand gegen die Außenwand: am nächsten Morgen erklärte man mir, daß das ein Schwarm von Mikrometeoriten gewesen sei, jeder einzelne so klein, daß

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