Soldaten
den Händen so und gaben das deutsche Zeichen. Rattattatat: Bums, da lagen sie! An sich bestialisch. [Schnitt] Richtig so auf die Fresse, die kriegten die Schüsse alle ins Kreuz und liefen wie wahnsinnig, so Zickzack, in irgendwelche Richtung. So drei Schuss Brandmunition, wenn sie die ins Kreuz hatten, Hände hoch, bums, da lagen sie auf dem Gesicht. Dann habe ich weiter geschossen.
MEYER : Was ist, wenn man sich gleich hinlegt? Was ist dann?
POHL : Da wird man auch getroffen. Wir haben angegriffen aus zehn Meter, und wenn sie dann liefen, die Idioten, da hatte ich doch dauernd ein schönes Ziel. Brauch doch nur mein Maschinengewehr zu halten. Manchmal bestimmt, ich war überzeugt, dass der eine 22 Schüsse abgekriegt hat. Und dann, auf einmal, da habe ich 50 Soldaten aufgescheucht, und sagte: ›Feuer, Kinder, Feuer!‹ Und dann immer so hin und her mit dem Maschinengewehr. Trotzdem hatte ich das Bedürfnis, bevor wir abgeschossen wurden, einen Menschen von Hand aus zu erschießen.
Das Gespräch ist davon geprägt, dass der eine der beiden ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis hat, während der andere zunächst einzuordnen versucht, mit wem und was er es hier zu tun hat. Meyer, von dem wir nicht wissen, wie oft er schon mit Pohl gesprochen hat und inwiefern er ihn näher kennt, scheint nun ob des von seinem Zellengenossen geäußerten Bedürfnisses, auch mal direkt einen Menschen zu erschießen, einigermaßen erschüttert. Er kommentiert:
MEYER : Man verroht doch furchtbar bei solchen Unternehmungen.
POHL : Ich sagte ja, am ersten Tage ist es mir furchtbar vorgekommen. Da habe ich gesagt: Scheiße, Befehl ist Befehl. Am zweiten und dritten Tage habe ich gesagt: Das ist ja scheißegal, und am vierten Tag, da hab ich meine Freude daran gehabt. Aber, wie gesagt, die Pferde, die schrieen. Ich glaubte, nicht das Flugzeug zu hören, so schrien sie. Da lag so ein Pferd mit den Hinterbeinen abgerissen. [158]
Es erfolgt ein Schnitt; die Aufzeichnung geht dort weiter, wo Pohl von den Vorzügen eines mit Maschinengewehr ausgestatteten Flugzeugs erzählt. Da dieses mobil ist, müsse man nicht warten, bis ein potentielles Opfer in Reichweite kommt, sondern kann gezielt jagen:
POHL : So ein Flugzeug mit MG s ist eigentlich ganz gut. Denn wenn ein MG irgendwo aufgestellt wird, dann müssen sie warten, bis die Menschen kommen.
MEYER : Wehrten sie sich nicht vom Boden? Schossen sie nicht mit MG s?
POHL : Einen haben sie abgeschossen. Mit Gewehren. Eine ganze Kompanie hat auf Befehl geschossen. Das war diese ›Do17‹. Die ist gelandet. Die Deutschen haben die Soldaten mit MG s in Schach gehalten und die Maschine angezündet. Ich hatte manchmal 128 Bomben, mit Zehnern. Die haben wir mitten in das Volk hineingeworfen. Und die Soldaten. Und Brandbomben dazu. [159]
Meyers Rückfragen und Kommentare sind eher technischer Art, doch zweimal zeigt er sich direkt erschüttert: bei der Passage mit den Pferden und als Pohl mitteilt, er hätte auch gern mal jemanden »von Hand aus« erschossen. Pohl jedenfalls benötigte, wenn man seinen Schilderungen glauben kann, keinerlei Gewöhnung an die Gewalt; die kann er, so scheint es, spontan, nahezu ohne Anlaufzeit abrufen. Dabei ist bemerkenswert, dass er es nicht bei der Schilderung einer Gewaltausübung belässt, an die er sich gewöhnt habe, sondern dass er durchgängig betont, er habe
zu wenig
anrichten können und hätte gern
mehr Opfer
gehabt.
Das Gespräch findet im Sommer 1940 statt, die geschilderten Ereignisse im September 1939, unmittelbar nach Kriegsbeginn. Selbst wenn man annehmen würde, dass Pohl nun, vor diesem Gespräch mit Leutnant Meyer, mehrere Monate Kampferfahrung gesammelt habe, was seine Erzählung über die ersten Kriegstage gewissermaßen nachträglich brutalisiert habe, befände man sich immer noch diesseits der extremen Gewaltschübe, wie sie durch den »Barbarossa«-Feldzug hervorgerufen wurden. Gewiss sind auch beim Überfall auf Polen Massenverbrechen verübt worden [160] – Morde an der Zivilbevölkerung und Erschießungen von Juden. Aber Pohl ist Flieger, er jagt und tötet Menschen von oben, und man hat nicht den Eindruck, als treibe ihn ein ideologisches Motiv, wenn er schildert, wie er Städte bombardiert und Menschen abschießt. Seine Opfer haben weder Attribute noch werden sie gezielt ausgewählt. Wen er erwischt, ist ihm gleichgültig,
dass
er erwischt, darauf kommt es ihm an. Das macht ihm einfach Freude, und die braucht kein Motiv. Seine
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