Soldaten
1. GD , wenn da einer von uns umgelegt worden ist, da hat gar kein Leutnant Befehl geben brauchen, Pistolen raus, Frauen, Kinder, alles was sie gesehen haben, rein ...
KNEIPP : Bei uns hat mal eine Partisanengruppe einen Verwundeten-Geleitzug überfallen und alles umgebracht, halbe Stunde später wurden die geschnappt, bei Nowgorod, die wurden in eine Sandgrube gebracht, und von allen Seiten gings dann rein mit MG s und Pistolen.
KEHRLE : Die gehören langsam umgebracht, die gehören doch nicht erschossen. Da waren die Kosaken prima zur Partisanenbekämpfung, ich hab das gesehen im Südabschnitt. [219]
Interessanterweise waren Kehrle und Kneipp in ihrer Auffassung vom Militär vollkommen unterschiedlicher Meinung. Für Kehrle war das stupide Leben im Militär »Blödsinn« und »Scheißdreck«, für Kneipp war es hingegen »Erziehung« [220] . Trotz dieser Habitusunterschiede zwischen einem Funker und einem SS -Infanteristen waren sie sich über die Methoden der Partisanenbekämpfung völlig einig.
Das Gesetz des Krieges etabliert in der Praxis oft andere Normen als das völkerrechtlich verbindliche Gesetz. Vor diesem Hintergrund sprechen die Männer über Kriegsverbrechen unaufgeregt und nur selten empört; allenfalls das Verhalten der örtlichen Bevölkerung gibt Anlass für Verwunderung. In jedem Fall aber hält man das Vorgehen gegen jede Form von Nicht-Kooperation in den besetzten Gebieten für notwendig – und dies schon im Oktober 1940, wie das folgende Gespräch zeigt:
URBICH *: Aber da sieht man, wie die Gestapo jede Kleinigkeit auffängt. Vor allen Dingen, wie sie jetzt in Polen arbeiten.
HARRER *: In Norwegen ja auch. In Norwegen haben sie viel Arbeit gehabt jetzt.
STEINHAUSER *: So?
HARRER : Ja. Ich hab mir das erzählen lassen ...
URBICH : Eine Menge norwegischer Offiziere umgelegt ...
HARRER : Ich bin überzeugt, wenn wir hier in England erst wirklich mal besetzt haben, dass wir da nicht so spazieren gehen können wie in Frankreich.
STEINHAUSER : Das glaube ich nicht – das sind die ersten Versuche. Wenn aber jeder zehnte Mann einer Stadt umgelegt wird daraufhin, dann hört es schon wieder auf. Das ist ja gar kein Problem; Adolf wird da zu Mitteln greifen, die von vorneherein jede Heckenschützentätigkeit unterbinden werden. Wissen Sie denn, wie in der Pollakei gearbeitet wird? Es braucht da nur ein Schuss fallen – dann hat’s aber gebumst! Dann wird Folgendes gemacht: In dieser Stadt oder Stadtviertel, wo Schüsse gefallen sind, werden sämtliche Männer rausgeholt. Für jeden Schuss, der in der nächsten Nacht, überhaupt in der nächsten Zeit fällt, fällt ein Mann.
HARRER : Prima! [221]
Es fällt auf, dass in den Gesprächen keine Erwägungen angestellt werden, ob diese Formen extremer Gewalt gegen die Zivilbevölkerung gerechtfertigt und angemessen sind. In den Augen der Männer stellt sich diese Frage nicht; für sie sind die Notwendigkeiten des »Arbeitens«, »Durchgreifens« und der »Vergeltung« ganz klar. Daher stellt sich immer nur die Frage nach der Durchführung, nie nach dem Grund. Entsprechend sind die Verbrechenserzählungen genauso Teil der Alltagskommunikationen wie die Geschichten über das Abschießen oder das Absaufen, die wir schon kennen. Sie stellen an sich nichts Besonderes dar; allein ungewöhnliche Aktionen oder Verhaltensweisen einzelner Personen liefern interessante Geschichten. So etwa die Massenhinrichtungen nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich:
KAMMBERGER : In Polen haben sie den Soldaten freigegeben, damit sie den Hinrichtungen, die öffentlich waren, beiwohnen konnten. 25 bis 50 sind täglich hingerichtet worden nach der Heydrich-Sache. Die sind auf einem Schemel gestanden, mussten den Kopf durch die Schlinge legen und der Nächste hinter ihm musste den Schemel wegstoßen mit den Worten: ›Brüderchen, du brauchst doch nicht den Schemel.‹ [222]
Hier liegt der Attraktionswert der Geschichte nicht in den Tötungen an sich, sondern in ihrer Inszenierung. Die Soldaten bekommen frei zum Zuschauen, und die Hinrichtungen erfolgen mit eigens entwickelten Demütigungsritualen. Erzählenswert sind aber nicht nur besonders herausgehobene Gewalttaten wie diese, sondern auch das Handeln einzelner Personen, die sich bei Verbrechen besonders hervortun. In diesem Sinn erzählt der Obergefreite Müller:
MÜLLER : In einem Dorf in Russland waren Partisanen. Da ist es klar, man muss das Dorf dem Erdboden gleichmachen, ohne Rücksicht auf Verluste. Da
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