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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Fallschirmsprung gekrönt. Mir ist plötzlich klar, warum man in der Fallschirmjägertruppe der Frage, ob man Springer oder Nichtspringer ist, eine so große Bedeutung beimisst. Aus der Sicht vieler Militärexperten gilt das Absetzen mehrerer Hundert Soldaten in Feindesland zwar längst als taktisch überholt, weil es keinen Überraschungsvorteil mehr mit sich bringt. Doch wer bereit ist, seine Todesangst zu überwinden, indem er sich aus einem Flugzeug in die Tiefe stürzt, hat eine gehörige Portion Mut bewiesen. So etwas lässt sich nicht mit einem Sprung vom Zehnmeterturm im Schwimmbad mal eben simulieren.
    In nicht einmal einer Minute haben mehr als dreißig Fallschirmjäger die Transall verlassen. Die Männer aus den mittleren Sprungreihen B und C werden unserem Beispiel sicherlich gleich folgen. Ich richte mich auf die Landung ein und presse die Knie und Füße so fest ich kann aneinander, um ihnen dadurch mehr Stabilität beim Aufschlag zu geben. Bei einer Sinkgeschwindigkeit von 6bis 9Metern pro Sekunde ist die Schirmfahrt leider nach nicht einmal 50Sekunden beendet. Der Landefall gelingt mir besser als gehofft. Ich spüre nach, ob ich irgendwo Schmerzen habe. Aber es ist alles in Ordnung und auch die Hose ist trocken geblieben. So schnell es geht, streife ich das Gurtzeug ab und verpacke den Fallschirm in einer eigens dazu mitgeführten Stofftasche. Das Gefühl der Erleichterung lasse ich durch meinen Körper strömen. Die ungenutzte Reserve befestige ich mit den Schnappkarabinern an den Trageschlaufen der Tasche und werfe mir das Zeug so über die Schulter, dass mein Kopf zwischen der Packtasche auf dem Rücken und dem Reservepaket unter dem Kinn hervorschaut. Im Laufschritt eile ich vom Landeplatz in Richtung Shuttlebus. »Noch vier Sprünge, dann hast du das begehrte Abzeichen!«, denke ich.
    Während der Fahrt zum Flugplatz erzählen wir uns aufgeregt und in ausgelassener Stimmung, wie wir den ersten Sprung erlebt haben. Kein Detail wird ausgelassen und jede Erfahrung meiner Kameraden, die mir nützlich sein kann, sauge ich wie ein Schwamm auf. In Penzing wartet die Transall C160 bereits mit laufenden Motoren auf uns. Solange es das Wetter hergibt, soll gesprungen werden. Die Fallschirme werden uns im Vorbeigehen von der Ladefläche des Schirmwagens zugeworfen. Wieder helfen wir uns zu zweit beim Anlegen des Gurtzeugs. Das ganze Spiel wiederholt sich. In der Maschine stehe ich dieses Mal ganz dicht an der Tür, direkt hinter dem sogenannten Türspringer. Der ist bereits in Absprunghaltung im Türrahmen, während wir noch auf den Absetzplatz zufliegen, und hat einen perfekten Ausblick. Ich kann sehr gut an ihm vorbei in die Landschaft sehen. Erstaunlich, wie anders einem die Welt aus 350 Meter Höhe vorkommt.
    Direkt hinter mir steht einer der Kameraden meiner Heimatkaserne, mit denen ich im Zug angereist bin. Er hat mir bei der letzten Sicherheitsüberprüfung in der Maschine zur Bestätigung einen besonders kräftigen Schlag auf die Schulter verpasst. Als ich über die Schulter zu ihm blicke, grinst er mich an und sagt: »Du, bei dir steht Attrappe auf dem Schirmpaket!« Ein blöder Witz, über den ich nicht lachen kann. Obwohl die so gekennzeichneten Schirmpakete, die wir während der Bodenausbildung erhalten, nie in den Umlauf mit den realen Fallschirmen kommen, steigert allein der Gedanke an so eine fatale Verwechslung mein Unbehagen vor dem Sprung. Viel Zeit zum Ärgern bleibt mir nicht. Das Lämpchen an der Tür schaltet von Rot auf Grün, die Hupe ertönt und wir stürzen uns aus der Maschine. Die Zögerlichkeit des ersten Sprungs ist vergangen. Jetzt scheint jeder nur noch schnell den kritischen Moment des Absprungs hinter sich bringen zu wollen. Auch mein Hintermann ist mir dicht auf den Fersen. Als ich meinen Blick nach dem Öffnungsvorgang des Schirms nach oben richte, um meine Fallschirmkappe zu überprüfen, sehe ich, wie der Möchtegernkomiker mir gefährlich nah kommt. Jetzt kriege ich wirklich Schiss und schreie ihm zu: »Hau ab, Mann – du bist viel zu dicht!« – »Alter, das geht nicht. Ich hänge irgendwie mit meinem Stiefel an deinem Basisnetz fest.« Wie bitte – er hängt an dem Basisnetz meines Schirms fest? Ich spüre, wie ich erbleiche.
    Die Ausbilder haben uns gesagt, was passiert, wenn zwei Springer sich zu dicht beieinander befinden. Dem oberen Fallschirm fehlt der Luftwiderstand. Er fällt in sich zusammen und der Springer sackt mit dem Schirm an seinem Kameraden vorbei

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