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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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Während der Heimfahrt denke ich darüber nach, meinen Wehrdienst um weitere 13 Monate zu verlängern.

KFOR - EINSATZ IM KOSOVO
    Nachdem ich mich bei meinem Spieß zurückgemeldet habe, darf ich meinen Weihnachtsurlaub antreten. Ich verbringe die Weihnachtszeit 1998 mit meinen Eltern und Geschwistern. Natürlich erzähle ich ausführlich von meinem Jungfernflug, vom Fallschirmspringen und von der beeindruckenden schneebedeckten bayerischen Landschaft. Dass mein zweiter Sprung auch mein letzter hätte werden können, lasse ich dabei aus. Ich möchte meine Familie nicht ängstigen. Die derzeitige Berichterstattung über den Einsatz der NATO im Kosovokonflikt beunruhigt meine Eltern sowieso schon. Ich mache mir keine großen Sorgen darüber, es beeinflusst auch nicht meine Entscheidung, mich für mehr als ein Jahr weiter zu verpflichten. Der Einsatz der Luftwaffe zur Überwachung der zerstrittenen Parteien im zerfallenden Jugoslawien betrifft mich als Infanteristen ja nicht. Das glaube ich zumindest, denn Auslandseinsätze der Bundeswehr mit bewaffneten Bodentruppen waren bislang die Ausnahme.
    Allerdings ändert sich die Politik überraschend schnell: Ausgerechnet Außenminister Joschka Fischer von den Grünen setzt sich für die aktive Beteiligung deutscher Soldaten im Kosovo ein. Verteidigungsminister Rudolf Scharping spricht sich ebenfalls für den Einsatz von Bodentruppen aus. Es wird öffentlich über die Verpflichtung Deutschlands diskutiert, dem Völkermord im nach Autonomie strebenden Kosovo ein Ende zu bereiten. Die Bombardierung Serbiens durch die NATO im März 1999 stößt innenpolitisch letztlich kaum auf Widerstand. Etwa zwei Monate später verkündet uns der Spieß beim allmorgendlichen Antreten, dass wir als Einsatzverband für den Kosovo eingeplant sind. Ich wundere mich über diese Entscheidung der Regierung. Mit Heimatverteidigung scheint mir das nichts zu tun zu haben. Die Vorstellung, wie deutsche Fallschirmjäger über Jugoslawien aus der Transall C160abgesetzt werden und den Kampf aufnehmen, spukt mir durch den Kopf. In meiner Fantasie vermischt sich das, was ich aus Kriegsfilmen kenne, mit dem, was ich durch meine Ausbildung bereits weiß, zu einer unwirklichen Vorstellung dessen, was möglicherweise auf mich zukommt.
    In der folgenden Woche bekomme ich von meinem Zugführer den Befehl, mich sofort beim Spieß zu melden. Meist bedeutet das nichts Gutes. Mit einem mulmigen Gefühl betrete ich das Geschäftszimmer. Obergefreiter Kutz, mit dem ich die Grundausbildung absolviert habe, sitzt als männliche Vorzimmerdame an seinem Schreibtisch. Als gelernter Bankkaufmann hat er die unter Infanteristen seltene Fähigkeit, einen PC bedienen und tippen zu können. Damit war seine Verwendung bei der Armee besiegelt. Er liest mal wieder den Sportteil der Tageszeitung. »Kutz, eh Kutz!« Leicht genervt schaut er von seiner Zeitung auf. »Ach, Müller, na wasn los?« – »Was los ist? Mensch, ich soll mich beim Spieß melden. Sag du mir was l…« Zum Ausreden komme ich nicht mehr. »Spieß, der Müller ist da!« So ein Blödmann, denke ich. Spieß Kams kommt aus seinem Dienstzimmer und stellt sich mir direkt gegenüber. Ich nehme schnell Haltung an. »Herr Hauptfeldwebel, Obergefreiter Müller. Ich melde mich wie befohlen!« – »Ja, ist gut, Müller. Stehen Sie bequem. Es werden noch Freiwillige für den Kosovoeinsatz gesucht. Wollen Sie mit?« – »Ich hab mich auch freiwillig gemeldet!«, ruft Kutz dazwischen. »Für die Zeit des Einsatzes würden Sie zum AVZ in die 1. Kompanie versetzt werden. Sie können aber auch hierbleiben und in der 5. Unteroffizier werden. Ich schick Sie dann auf den nächsten Unteroffizierslehrgang. Was meinen Sie?« Ich bin völlig perplex. Weder mit dem einen noch mit dem anderen habe ich gerechnet. Ich stammle irgendetwas Unsinniges, weswegen ich Bedenkzeit bräuchte. Der Spieß schaut mich leicht vergrätzt an. »Morgen will ich eine Entscheidung hören. Das ganze Bataillon geht in den Einsatz. Denken Sie daran!«
    Das lässt mich stutzen. Ich will nicht als Drückeberger oder Fußkranker gelten, der die leer stehende Kaserne bewacht, während meine Kameraden sich im scharfen Einsatz beweisen müssen. Dass der Spieß mich überhaupt dem Aufklärungs- und Verbindungszug überstellen will, ist schon eine Art Auszeichnung, durch die ich mich geehrt fühle. Der AVZ hat die Aufgabe, eigenständig Marschwege zu erkunden und den nachfolgenden Einheiten eine sichere Route zu

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