Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
wahrnehmen. Das ist ungewöhnlich im Vergleich zu der sonstigen Struktur der Bundeswehr. Da aber jeder seinen Hund immer bei sich haben wird, muss sich unser Zugführer einfach auf uns verlassen können. Er ruft uns immer wieder ins Bewusstsein, dass unsere ausgebildeten Hunde einem Menschen so gefährlich werden können wie eine schussbereite Waffe.
Da wir uns als Hundeführer alle für zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichten, miete ich in der Nähe von Friedrichsfeld eine große Wohnung. Meine Freundin erwartet ein Kind von mir und sie ist bereit, ihre Arbeit in Hannover aufzugeben und zu mir nach Friesland zu ziehen. Ich bin sehr froh darüber, denn ich möchte nicht in einer Wochenendbeziehung leben. Natürlich ist das Leben hier im Vergleich zur Großstadt sehr beschaulich, aber ich stelle es mir schön vor, das Kind hier in der Natur aufwachsen zu sehen.
STEINZEIT, ENDZEIT - AFGHANISTAN
Die Zeit bis zum Spezialisierungslehrgang vergeht wie im Flug. Ehe ich mich in Friedrichsfeld richtig eingelebt habe, führt Idors Ausbildung mich Mitte des Jahres erneut nach Koblenz an die Diensthundeschule. Zunächst sollen die Hunde während des Trainings einfach ihr Spielzeug finden, wenn wir es verstecken. Zur Belohnung loben wir unseren Hund und spielen mit ihm und dem gefundenen Bringsel. Es ist ein lustiger Anblick, wenn wir Soldaten ausgelassen mit unseren Hunden herumtollen und sie überschwänglich loben: »Jaaaaaa feinnn issa, Klasse Bubbi, so issa fein.« Nachdem die Hunde verstanden haben, dass wir eine Art Versteckspiel mit ihnen veranstalten, sobald wir sie aus ihrer Fahrzeugbox holen, wird ein spezielles Spielzeug mit etwas Sprengstoff befüllt, damit sie den Geruch des von ihnen gesuchten Spielzeugs mit dem eines Sprengstoffs verbinden. Nach und nach verbinden sie den Geruch von mehr als zwanzig häufig bei Attentaten verwendeten Sprengstoffen mit ihrem Objekt der Begierde.
In der nächsten Phase der Hundeausbildung nehmen wir nur noch einen kleinen Behälter, der eine geringe Menge Sprengstoff enthält, und verstecken diese sogenannte Riechprobe an allen möglichen für ein Sprengstoffattentat infrage kommenden Orten. Wenn Idor meint, sie gefunden zu haben, setzt er sich mit gespitzten Ohren erwartungsvoll vor sie und fixiert diese Stelle mit den Augen. Ich stehe hinter ihm und schleudere seinen Lieblingsgummiball aus dem Ärmel. In Idors Wahrnehmung springt der Ball wie durch Zauberei aus dem Versteck. Er freut sich jedes Mal aufs Neue darüber und kaut begeistert auf seinem tollen Zauberball herum.
Es wundert mich, dass wir immer nur mit geringen Mengen unter 50Gramm üben. Ein Ausbilder erklärt mir, dass es laut einer Sicherheitsbestimmung nicht erlaubt sei, mit größeren Mengen zu trainieren. Allerdings würden die Hunde auch umso sicherer fündig, je mehr Sprengstoff an einem Ort versteckt sei. Man strebe bei der Ausbildung an, dass die Hunde Explosivstoffe auch bei reinen Molekülanhaftungen anzeigen. Dadurch könne man theoretisch sogar nachweisen, wer bei einem Mordanschlag geschossen hat, selbst wenn sich der Schütze der Waffe entledigt hätte. Praktisch gebe es bei der Ausführung aber das Problem, dass es nach der Genfer Konvention nicht zulässig ist, Personen unter Zuhilfenahme von Hunden zu durchsuchen. Ich gebe mich mit der Antwort zufrieden, da ich inzwischen begriffen habe, dass ich meine Meinung lieber für mich behalte, wenn ich den Lehrgang bestehen will. Einleuchten will mir das Ganze aber nicht. Mit meinen Erfahrungen aus dem Kosovo halte ich es für wesentlich sinnvoller, nicht nur Gebäude und Gegenstände, sondern auch Personen mit der Hilfe von Hunden auf Waffen und Sprengstoffe zu überprüfen. Das ginge wesentlich schneller und würde auch das Problem der Leibesvisitation von Frauen vereinfachen, die nur von einer Frau gemacht werden darf.
Wir müssen unsere Hunde gut einschätzen können, sie genau beobachten und auch kleinste Verhaltensänderungen erkennen. Es erfordert erstaunlich viel Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Sachkenntnis, einen erfolgreichen Spürhund auszubilden. Ohne Vertrauen und Liebe zueinander ist man als Team nicht erfolgreich. Jeder Spürhund hat seine eigene Art zu suchen und keiner erbrächte bei einem anderen als seinem Hundeführer eine gleich gute Leistung. Mein Idor arbeitet mit der Zeit fast selbstständig, weil er mich gerne glücklich machen möchte. Selbst wenn ich einen schlechten Tag habe und mich ungeschickt anstelle, wird er
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