Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
mir nun entspannt unterordnen.
Am Sonntagabend mache ich mich guter Dinge mit Idor auf den Weg zur Kaserne. Meine Mutter verabschiedet mich mit einem Kuss auf die Wange und drückt mir, wie so oft, noch 20 D-Mark als Benzingeld in die Hand. Die Aufforderung, sie anzurufen, wenn ich angekommen sei, bin ich bereits von ihr gewohnt. Ich frage mich, ob meine Kameraden auch so von ihren Müttern verabschiedet werden. Ich mache einen kleinen Umweg über Hamburg-Harburg, wo Lancer bereits mit zwei Bechern Kaffee in den Händen auf mich wartet. Wir fahren die Strecke meist gemeinsam und erzählen uns gegenseitig, wie unser Wochenende verlaufen ist. Zu meinem Kampf mit Idor sagt er mir, dass ich viel Glück hatte. Unsere Hunde seien ja bereits darin trainiert, Menschen zu beißen und ernsthaft zu verletzen. Hätte Idor die Oberhand gewonnen, wäre ich sicher nicht mehr in so guter Verfassung.
Im Nachhinein erfahre ich von meinen Kameraden, dass sie ähnliche Rangkämpfe auszufechten haben. Einem ist es so wenig geheuer, mit seinem Hund in einem Raum zu übernachten, dass er das Risiko nur mit einer Dose Pfefferspray unter dem Kopfkissen eingehen mag. Angesichts dessen bin ich sehr froh, dass Idor zu einem Kampfmittelspürhund ausgebildet wird und der Schutzdienst dabei nicht so stark im Vordergrund steht wie bei den Personensuchhunden, bei denen das Misstrauen und die Bereitschaft zuzubeißen wesentlich stärker gefördert wird.
Unser neues Zuhause ist der Truppenübungsplatz in Friedrichsfeld außerhalb der Kaserne in Varel. Dort ist ein Gebäude aus den Zwanzigerjahren komplett renoviert worden. Wir freuen uns, dass wir Einzelstuben bekommen, damit wir unsere Hunde abends mit auf die Stube nehmen können. So lässt sich eine stärkere Bindung aufbauen, als wenn man sie im Zwinger stehen ließe, wie es an der Hundeschule aus Platzgründen der Fall ist. Wenn sie krank sind oder sich verletzt haben, ist es auch besser, sie in einer ruhigen Umgebung zu versorgen. Im Zwinger herrscht immer Betrieb und die Hunde scheuchen sich mit ihrem Gebell gegenseitig auf, sobald jemand an der Anlage vorbeigeht. Die neuen Zwinger erfüllen alle Anforderungen an die moderne Tierhaltung. Wir sind davon ebenso begeistert wie von der für unsere Maßstäbe luxuriösen Ausstattung der neuen Unterkunft. Das ist etwas anderes als die schimmeligen Baracken, in denen wir in Koblenz untergebracht waren. Dort mussten wir, als wir ankamen, erst einmal den Rattenkot herausfegen.
Wir dürfen uns die Stuben sogar selbst einrichten. Da wir in den kommenden Jahren hier leben werden, möchte Hauptfeldwebel Festas, dass wir uns wohlfühlen. Die Kameraden aus der Kaserne in Varel werden neidisch, wenn sie sich bei uns umsehen. Wir investieren sogar gemeinsam etwas Geld, um einen Raum mit Fitnessgeräten auszustatten, die Gemeinschaftsküche auszubauen und unseren Aufenthaltsraum gemütlich einzurichten. Unser Zugführer spendiert eine Waschmaschine und einen Wäschetrockner. Nun können wir es problemlos in dieser Abgeschiedenheit aushalten. Da der Truppenübungsplatz direkt an unser gut eingezäuntes Lager grenzt, können wir mit unseren Hunden täglich laufen gehen, ohne befürchten zu müssen, dass uns Jogger oder andere Hunde begegnen. Wir leben und arbeiten in einem komplett anderen Rahmen als dem normalerweise bei der Bundeswehr üblichen. Festas legt zwar außerordentlichen Wert auf Befehl und Gehorsam, aber er hört seinen Männern auch zu und geht auf sie ein. Ich respektiere ihn sehr dafür, dass er trotz seines rauen Auftretens sehr menschlich mit mir und meinen Kameraden umgeht. Niemand zweifelt seine Autorität an. Wir lernen sehr viel von ihm. Festas führt den Diensthundezug mit Zuckerbrot und Peitsche. Das tut er aber so gerecht, dass wir es ihm auch dann nicht übel nehmen, wenn er uns für eine Disziplinlosigkeit anbrüllt und mit Aufgaben eindeckt, die wir als »Scheißauftrag« bezeichnen.
Festas erklärt, dass ein Ranger nie allein unterwegs ist. Er hat seinen Waffenbruder, den Buddy, der wie sein siamesischer Zwilling ist. Der Buddy ist der, mit dem man gemeinsam trainiert, der einem den Rücken freihält und aufpasst, dass man keine Nachteile erleidet, etwa weil man Streife laufen muss, während der Spieß das Essen verteilt. Und wenn man mal krank ist, pflegt der eine Buddy den anderen, bis er wieder gesund ist. Festas erwartet, dass die Männer in seinem Zug auch ohne ausdrücklichen Befehl ihre Aufgaben verantwortungsvoll
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