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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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beanspruchten. In solchen Situationen hieß es: »Hau ihm eine auf den Kopf – aber ordentlich, damit der weiß, wer der Chef ist!« Tatsächlich hat das dann auch immer gewirkt, und wenn meine Kameraden dann ein paar Meter mit ihren Hunden stramm gingen und den Unterordnungsdrill wie »Fuß!«, »Sitz!« und »Platz!« übten, war das Tier von seinem Ansinnen schnell wieder kuriert.
    Bei Idor zeigt mein Schlag mit der flachen Hand auf den Schädel allerdings nicht die gewünschte Wirkung. Im Gegenteil, der Dickschädel fängt jetzt auch noch an zu knurren und fixiert mich mit den Augen. Ich merke, wie ich unter Stress gerate. Wenn ich jetzt einen Fehler mache, bin ich meinem eigenen Hund ausgeliefert. Idor wusste ja bereits, dass er seine 42 Zähne vom Schöpfer nicht ins Maul gesetzt bekommen hat, um nur Leberwurstbrote zu kauen. Ich hingegen weiß mir in dieser brisanten Situation nicht anders zu helfen, als ihm noch mal zwischen die Ohren zu hauen. Diesmal aber so heftig, wie man mit der Faust auf den Tisch haut. »Aus! Aus!«, rufe ich dabei so laut und energisch wie ich kann. Zu einem dritten Hieb komme ich nicht mehr. Idor hat die Leine ausgespuckt und schießt wie ein Krokodil mit geöffnetem Fang auf mein Gesicht zu. Im allerletzten Moment gelingt es mir, zurückzuzucken und ihn am Halsband zu packen. Idor ist richtig in Rage und schleudert bei dem Versuch, mir in die Arme zu beißen, mit dem ganzen Körper hin und her. Ich wehre mich aus Leibeskräften, denn mir ist klar, dass es nicht um ein paar harmlose Blessuren geht, wenn er mich zu fassen bekommt. Stuvess hat uns sehr eindringlich erzählt, wie einem Hundeführer einmal von einem Hund die Bauchdecke aufgerissen wurde. Die Därme des Mannes seien mit einem Rutsch herausgefallen. Ich kämpfe also buchstäblich um mein Leben und versuche, den wild gewordenen Köter gegen den Ampelpfeiler zu schlagen, damit er zur Raison kommt. In einer letzten, großen Kraftanstrengung gelingt es mir, mich auf seinen Körper zu knien und ihm damit die Luft zu nehmen.
    Erst jetzt, als Idor nachgibt und ruhiger wird, bemerke ich, was für ein Aufsehen wir erregt haben. Die Autos sind trotz grüner Ampel nicht weitergefahren. Stattdessen hupen einige Leute wild und eine Frau schreit mir aus ihrem Kleinwagen empört zu: »Eh, du Tierquäler, ich zeig dich an!« Da platzt mir der Kragen und ich erwidere: »Halts Maul!« Jetzt meint sich ihr Mann auch noch einmischen zu müssen. Von der Beifahrerseite aus lehnt er sich herüber und stellt mir die selten dämliche Frage, ob ich denn gerade seine Frau beleidigt hätte. Statt darauf einzugehen, biete ich ihm an, mir doch mal zu zeigen, wie er mit dem Hund spazieren geht, ansonsten solle er einfach seine blöde Fresse halten und sich davonmachen. Seine Frau nimmt ihm die Entscheidung zu seinem Glück ab und gibt Gas. Endlich kann ich mich wieder auf meine Situation konzentrieren. Ich stehe rasch auf und nehme Idor ins Gehorsam. Auf das Kommando »Fuß!« reagiert er sofort und wir marschieren strammen Schrittes zurück nach Hause. Dabei zittere ich von der Anstrengung und dem Adrenalinschub am ganzen Körper. Statt Idor mit ins Haus zu nehmen, lasse ich ihn sicherheitshalber auf die Ladefläche meines Kombi springen und schließe die Heckklappe, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Wortlos gehe ich an meinen verwunderten Eltern vorbei und schmeiße mich in meinem Zimmer aufs Bett.
    Ich bin total erschüttert, dass mein Idor, den ich so lieb gewonnen habe und den ich immer mit den besten Leckerbissen versorge, mich gerade auffressen wollte. Wie soll ich dieser Bestie jetzt noch vertrauen können? Tatsächlich zweifele ich meine Entscheidung, Hundeführer werden zu wollen, grundlegend an und überlege, ob ich die nächsten Jahre wirklich als Raubtierdompteur verbringen möchte. Als ich am nächsten Morgen mit Idor spazieren gehe, ist er so lieb und gelassen, wie ich es von ihm gewohnt bin. Auch der Rest des Wochenendes verläuft ohne weitere unangenehme Zwischenfälle. Im Gegenteil, Idor weicht mir nicht von der Seite und nachts springt er heimlich zu mir ins Bett und legt sich am Fußende schlafen. Ich freue mich, dass er die Nähe zu mir sucht, und lasse ihn gewähren. Ich hatte befürchtet, dass der Zwischenfall an der Ampel unsere Beziehung zerstört hätte. Das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein. Idor akzeptiert mich endlich als Leithund unseres Zweierrudels. Die Rangfolge wurde eindeutig geklärt, er kann sich

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