Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
grundsätzlich zuwider. Ranger Festas respektiert seine Haltung. Er bietet ihm einen Posten im Zugtrupp an. Er hätte dann zwar keinen eigenen Hund, doch er könnte als Figurant weiterhin aktiv an der Hundeausbildung teilnehmen. Lancer willigt ein und bleibt uns als Kamerad im Diensthundezug erhalten.
Die Zeit gibt Lancer recht, denn 2004 wird das Verbot solcher Erziehungsmethoden offiziell in die Tierschutzverordnung aufgenommen.
Schließlich muss Lancer mit feuchten Augen von Bart Abschied nehmen. Für alle anderen aus dem Lehrgang ist es endlich so weit: Sie dürfen ihren Hund zum ersten Mal mit zu sich nach Hause nehmen. Wir sind ausgebildete Hundeführer, auch wenn wir für die besonderen Spezialisierungen noch viel Zeit an der Hundeschule verbringen werden.
Meiner Familie habe ich Idor bereits angekündigt, sie ist schon sehr gespannt auf meinen Diensthund. Meine Eltern und meine kleine Schwester freuen sich mit mir über den vierbeinigen Familienzuwachs. Da Idor seit Monaten in der Zwingeranlage der Hundeschule untergebracht war und möglicherweise vorher auch noch nie in einer Familie gelebt hat, kann ich nur hoffen, dass er sich von seiner besten Seite zeigt. Die Ausbilder haben uns mit auf den Weg gegeben, dass wir den Hunden den Beißkorb aufsetzen sollen, bevor wir sie mit unseren Angehörigen zusammenführen. Die Hunde sind darauf trainiert worden, Menschen gegenüber grundsätzlich misstrauisch zu sein, es ist also möglich, dass sie aggressiv werden. Ich beherzige den Rat, doch allein mein Griff zum Maulkorb gibt Idor den Impuls, dass er gleich Schutzdienst absolvieren soll. Er schaut mich mit seinen großen hellbraunen Augen etwas skeptisch an, während ich ihn auch noch an die Leine nehme.
Mein Vater öffnet die Haustür. Sein erster Blick wandert zu dem Beißkorb, der den Hund besonders gefährlich erscheinen lässt. Dann schaut er etwas ängstlich mich an. Reine Vorsichtsmaßnahme, sage ich und lasse Idor von der Leine. Er stöbert sofort durch das Wohnzimmer und versucht mit dem dicken Beißkorb auf der Schnauze in jeden noch so schmalen Winkel zu kommen und die neue Umgebung mit seinem stärksten Sinnesorgan, der Schnauze, förmlich in sich hineinzusaugen. Meine Schwester geht unbefangen an Idor heran und streichelt ihn. Da er sich das gerne gefallen lässt, traut sich auch meine Mutter heran. Beide finden Idor ja ganz hübsch, aber der Maulkorb sei gar nicht schön. Den könne ich doch jetzt abmachen, zumal Idor ja sonst nicht aus der Wasserschüssel trinken könne, die ihm mein Vater hingestellt hat. Das ist ein Argument. Idor trinkt den Napf auch sofort leer.
Vier Augenpaare verfolgen jede seiner Bewegungen, gespannt darauf, was er wohl als Nächstes tut. Idor legt sich nun völlig unspektakulär auf den Wohnzimmerteppich und schläft. Er lässt sich vom Geklapper unserer Kaffeetassen nicht stören. Nur wenn jemand vom Tisch aufsteht, spitzt er die Ohren und bewegt sie wie kleine Radarantennen, um zu verfolgen, wer sich wo im Raum aufhält. Ab und an hebt er den großen Kopf, sucht mich mit seinem Blick und legt sich dann zufrieden und entspannt wieder zurück. Nach dem Kaffee und Kuchen finde ich, dass es an der Zeit ist, Idor in seinem neuen Revier spazieren zu führen.
Schon vor der Haustür werde ich von den Nachbarn auf Idor angesprochen. Sie sind ganz begeistert von ihm und gratulieren mir zu meinem schönen Diensthund. Das freut mich natürlich. Gut gelaunt gehe ich mit Idor in die nahe Innenstadt von Buxtehude. Seinen »Berg« hat er schon gesetzt, aber ich bin stolz auf meinen großartigen Hund und möchte noch ein wenig mit ihm angeben und gesehen werden. Bei dem schönen Wetter scheint mir »Tanjas Eiscafé« dafür genau richtig zu sein. Wir müssen nur noch über eine Kreuzung gehen, dann sind wir da. Idor möchte aber lieber spielen und beißt in die Leine, während wir an der Fußgängerampel auf Grün warten. Da ich der Chef in unserem Zweierrudel bin und zu bestimmen habe, wann gespielt wird, ignoriere ich seine Aufforderung und gebe scharf das Kommando »Fuß«. Doch statt zu gehorchen, steigt Idor in ein Kräftemessen ein. Er läuft um mich herum. Den Radius der Leine, in die er sich fest verbissen hat, nutzt er voll aus und bringt mich durch sein Zerren etwas aus dem Gleichgewicht.
Diese Situation ist mir von anderen Hunden an der Diensthundeschule bekannt. Sie hatten sich gegen ihre Hundeführer aufgelehnt, da sie den Posten des Rudelführers für sich
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