Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
ich am nächsten Morgen pünktlich erwartet werde.
Noch vor Ende des Jahres machen Idor und ich die Abschlussprüfung. Es ist den Ausbildern aufgefallen, dass mein intelligenter Hund sich angewöhnt hat, nicht mehr nach seinem Bällchen, also der Riechprobe, zu schnuppern, sondern auf dem Übungsareal der Spur seiner Vorgänger zu folgen und sich einfach genau dort hinzusetzen, wo schon die anderen Hunde ihren Hintern auf den Boden gepflanzt haben. Daher wird Idor als Erster auf die Suche geschickt. Natürlich enttäuscht mich mein toller Hund nicht und nach annähernd anderthalb Jahren treten wir als fertig ausgebildetes Kampfmittelspürhundteam den Weg in die heimatliche Kaserne an.
Als ich in der Kaserne in Varel ankomme, herrscht allgemein Aufbruchsstimmung. Die Attentäter des 11. September konnten innerhalb weniger Tage identifiziert werden. Es waren Studenten der Technischen Universität Hamburg-Harburg unter ihnen, die den Anschlag von langer Hand vorbereitet haben und die sich sogar als Piloten ausbilden ließen. Ich höre vom eigentlichen Drahtzieher, dem aus Saudi-Arabien stammenden Osama bin Laden, der während des sowjetafghanischen Krieges die Hilfsleistungen muslimischer Unterstützer für die Afghanen koordinierte und das von ihm gegründete Netzwerk radikalislamischer Terroristen alQaida von Afghanistan aus steuert.
Bisher war es mir egal, welcher Konfession jemand angehört. Ich selber habe keine religiöse Erziehung gehabt, es war für mich daher ohne Bedeutung, welchem Glauben Menschen anhängen. Mir ist völlig unverständlich, dass jemand aus fanatischem Religionswahn einen Massenmord begeht. Ich teile von diesem Moment an die Meinung vieler, dass von diesen religiösen muslimischen Fanatikern eine Bedrohung für unsere Gesellschaft und Werte ausgeht. Dass die Anschläge vom 11. September unter anderem in Deutschland, gar in Hamburg, nur wenige Kilometer vom Wohnort meiner Eltern entfernt, geplant wurden, trägt dazu bei. Dennoch erstaunt es mich, dass die USA nicht einmal einen Monat später, am 7. Oktober 2001, Afghanistan angreifen und das radikalislamische Talibanregime stürzen, das Osama bin Laden Zuflucht gewährt. Es erscheint mir unverhältnismäßig, dass ein Krieg begonnen wird, nur um einer einzelnen Person habhaft zu werden. AlQaida ist ohnehin weit verzweigt und in etlichen Ländern beheimatet. Trotzdem stellt sich die internationale Staatengemeinschaft hinter die Pläne der USA und unterstützt diesen »war on terror« mit militärischen Mitteln.
Mir fallen die Presseberichte wieder ein, die Anfang des Jahres darüber informierten, dass die angeblichen Beweise über den Völkermord im Kosovo gefälscht waren. Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping, die mit diesen fingierten Berichten die militärische Beteiligung Deutschlands an der Intervention der NATO auf dem Balkan erwirkt haben, sind immer noch in den gleichen Ämtern. Ich frage mich daher, ob wir auch dieses Mal angelogen werden. Nach meinem Empfinden steht überraschend schnell fest, wer für den Tod und die körperliche und seelische Verwundung von Tausenden von Menschen verantwortlich ist. Die USA können sich jedenfalls der uneingeschränkten Solidarität ihrer Bündnispartner sicher sein. Die Anschläge in den Vereinigten Staaten sorgen dafür, dass die NATO-Partner, aus Empörung und auch aus Angst vor einem Anschlag auf eigenem Territorium, bereitwillig einer Offensive am Hindukusch zustimmen. Die Bundesregierung befürwortet die Entsendung deutscher Truppen nach Afghanistan und beteiligt sich an der OEF und ISAF Mission.
Aus dem Diensthundezug sind alle ausgebildeten Soldaten eingeplant. Mein Gruppenführer, Oberfeldwebel Kunz, ist mit einem Vorauskommando noch vor Weihnachten unterwegs nach Kabul, um ein geeignetes Lager zu erkunden. Das Hauptkommando des Fallschirmjägerbataillons 313 bereitet sich darauf vor, in Kürze zu folgen. Wie beim Kosovoeinsatz verschiebt sich der Termin des Abmarsches immer wieder. Durch den früh einsetzenden strengen Winter können die Transportflugzeuge nicht von der Zwischenstation in der Türkei aus weiterfliegen, die Tragflächen sind zu stark vereist. Alle eingeplanten Soldaten verbringen das Weihnachtsfest auf ihren gepackten Sachen, bereit, jederzeit aufzubrechen. Ich bin mit meinen Kameraden aus dem Spürhundlehrgang glücklicherweise von dieser Ungewissheit verschont. Damit wir überhaupt etwas Urlaub machen und unsere Familien sehen
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