Soldner
zermarterte sich den Kopf und fragte sich, was sie sagen sollte. Schließlich sagte sie: »Mer nav falfli. « Ich bin nass.
Kovok-mah schaute sie an. »Hai, zar falfi.« Ja, sehr nass. Nach einem stummen Augenblick sprach er Dar in ihrer eigenen Sprache an. »Ich glaube, wir lieber nicht nur sprechen übers Wetter.«
»Hai«, sagte Dar. »Du warst gestern Abend wütend auf mich. Bist du es noch immer?«
»Ich nicht kenne Washavoki-Wort für das, was ich empfinde. Du bist sehr eigenartig.«
»Du bist mir auch fremd«, sagte Dar. »Vielleicht bist du mir weniger fremd, wenn ich deine Sprache lerne.«
»Ich glaube nicht«, sagte Kovok-mah. Er hielt inne. »Du gestern Abend hast weise gesprochen. Es ist Unterschied zwischen Flauen und Washavoki mit Gesichtshaar.«
»Glauben die anderen es auch?«
»Sie haben gesagt, du bist Mutter.«
»Etwas zu sagen und etwas zu glauben sind verschiedene Dinge.«
»Wie kann das sein?«, fragte Kovok-mah. »Solches Reden wäre bedeutungslos.«
»Die Menschen lügen pausenlos.«
»Was ist ›lügen‹?«
»Wenn man etwas sagt, von dem man weiß, dass es nicht stimmt.«
»Mit Absicht?«, fragte Kovok-mah.
»Natürlich mit Absicht.«
»Washavoki tun das?«
Die Frage erschien Dar so weltfremd, dass sie annahm, Kovok-mah zöge sie auf. Doch er lächelte nicht. Ihr dämmerte allmählich, dass er es ernst meinte. Es überraschte sie so sehr, dass sie eine Weile brauchte, bevor sie antworten konnte. »Aber ja … Wir lügen ständig.«
»Du auch?«
»Ich habe dich nie belogen«, sagte Dar in der Hoffnung, dass ihre Antwort ihn zufrieden stellte.
Kovok-mah verfiel in Schweigen, als müsse er das, was er gerade gehört hatte, erst einmal verarbeiten. Er schob sich ein
Washuthahi-Korn in den Mund und zerkaute es. Da Dar sehr daran gelegen war, das Thema zu wechseln, fragte sie: »Was bewirken diese Körner eigentlich?«
»Washuthahi ist sehr gut. Es wärmt.«
Dar griff in den Beutel und entnahm ihm eins der schrumpeligen schwarzen Körner.
Nachdem sie es in ihren klammen Fingern gedreht und an ihm geschnuppert hatte, schob sie es in den Mund und biss vorsichtig darauf. Die Schale zerbrach und setzte einen angenehm würzigen Geschmack frei, der den Eindruck von Süße vermittelte. »Gar nicht schlecht«, sagte sie. »Schluckt man sie herunter?«
»Im Mund behalten und kauen.«
Je länger Dar auf dem Korn kaute, umso intensiver wurde der Geschmack. Mit ihm kam ein Gefühl von Wärme. Dar nahm alle sie umgebenden Farben intensiver wahr. Die klamme Luft schmeckte üppig und würzig. Der Regen störte sie nicht mehr. Sie betrachtete den Ork mit einem breiten Grinsen. Er bleckte freundlich die Zähne. »Du jetzt kein Washavoki. «
»Hai, Dargu nak thwa Washavoki«, sagte Dar prahlerisch in ihrem begrenzten Orkisch.
Ihre Unterhaltung wandte sich der Ork-Sprache zu. Als Dar neben Kovok-mah ging, deutete er auf viele Dinge und nannte sie beim Namen. Dar wiederholte die Worte, dann korrigierte Kovok-mah ihre Aussprache. Nach einer Weile nahm er eine neue Lektion in Angriff. »Wir Worte zusammenfügen und machen neue. Wie ›Urkzimmuthi‹. ›Zim‹ heißt ›Kind‹. ›Urkzim‹ heißt ›mehr als ein Kind‹.«
»Wir würden ›Kinder‹ sagen.« Dar schaute verdutzt auf. »Ihr nennt euch Kindermutter?«
»Thwa«, sagte Kovok-mah. »Muth ist Mutter. Muthi bedeutet
…« Er dachte nach. »… von Mutter. Wir fügen Ende von Wort Laut hinzu, der zeigt, dass er meint anderes Wort.«
»Dann bedeutet ›Urkzimmuthi‹ so viel wie ›Mutters Kinder‹. «
»Hai.« Kovok-mah zeigte ihr ein Washuthahi-Korn, das auf seiner Handfläche lag. »›Wash‹ bedeutet ›Zähne‹, ›uthahi‹ bedeutet ›schön‹.«
Obwohl das Korn eher einem schwarzen Orkzahn ähnelte, erheiterte es Dar, dass man es »Zahnschön« nannte. Sie nahm an, dass das Kauen des Korns ihre Stimmung beeinflusst hatte, denn sie fühlte sich trotz des miesen Wetters guter Dinge.
Diese Stimmung hielt auch an, als die Lektion beendet war und sie sich wieder zu den Frauen gesellte. Sie grinste breit, als sie platschend die Straße entlangging. Taren, Neena und Loral teilten Dars Fröhlichkeit jedoch nicht. Sie schleppten sich triefnass und entmutigt voran. Neena erschrak, als Dar sie anlächelte. »Dar!«, sagte sie. »Was ist passiert?«
»Nichts. Was soll passiert sein?«
»Deine Zähne sind ganz schwarz!«, sagte Neena.
»Lass mal sehen«, sagte Taren. Dar öffnete den Mund, und Taren warf einen Blick hinein.
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