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Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Titel: Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Faras
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bereitwillig ihr Bein entgegen, und Mathieu warf dabei einen schnellen Blick unter ihren Rock, den sie bei dieser Bewegung unachtsam hochrutschen ließ. So fing es fast immer an. Wäre da nicht das glänzende Nylon, das sich fest um Christines volle Schenkel spannte, Mathieu hätte versucht, diese Routine zu durchbrechen, um ihren schnellen Nummern in den gemeinsamen Pausen etwas mehr Feuer zu verleihen. Doch so genügte ihm der Blick in ihren Schritt und das Gefühl ihrer Strumpfhose in seinen Händen als Vorspiel.
    „Mmmhhh, das ist gut“, seufzte Christine aufrichtig und sah Mathieu an. „Und?“
    „Was und?“, gab Mathieu brummend zurück.
    „Bei dir alles ruhig?“
    Unglaublich, dachte Mathieu, sie meint das wirklich ernst! Christine hatte das Konzept höflicher Floskeln, die keine Erwiderung erforderlich machen, ebenso wenig verstanden, wie die Tatsache, dass Routine beim Sex die Lust töten konnte. Mathieu beschloss, die Dinge ein wenig interessanter zu gestalten.
    „Alle Passagiere in meinem Wagen sind im Speisewagen zum Dinner, bis auf eine Frau. Ein ziemlich heißes Gerät“, begann er und arbeitete sich Christines Bein hoch. „Groß und blond, ziemlich geiler Körper.“
    „Warum erzählst du mir das?“, erkundigte sich Christine irritiert, unterbrach ihn aber nicht und zog gierig an ihrer Zigarette. „Hat sie große Titten?“
    „Hübsche Brüste hat sie, aber das eigentliche Highlight ist ihr Arsch“, entgegnete Mathieu und griff Christine unter den Rock. Diese quietschte kurz auf und ließ dabei fast ihre Zigarette fallen.
    „Allerdings“, ergänzte Mathieu und ließ seine Hände einen Moment ruhen, „schien sie bedrückt zu sein. Sie sah irgendwie verheult aus, glaube ich…“
    „Hey Casanova“, Christine schnippte die Zigarette auf den Boden und griff nach Mathieus Hemdkragen, „erzähl mir von ihrem Hintern, solange du meinen langsam mal wieder beachtest, aber hör auf mit dem emotionalen Scheiß, sonst kriegst du nur wieder keinen hoch.“
     
    Ninive hatte das Essen kaum angerührt. Der Abschied lastete schwer auf ihr. Es war nicht nur ein Abschied von Rasmus, sondern auch ein Abschied von Paris, der Stadt, die ihr von ihrer Geburt an dreißig Jahre lang eine Heimat gewesen war. Sie hatte immer gedacht, sie hätte keine enge Bindung zu der Stadt. Sie hatte gedacht, so etwas wie Heimat würde es für sie nicht geben. Immerhin war sie ein Klon, gezeugt von einer Maschine in einer Fabrik, aufgezogen in einem Heim der Regierung. Seit ihrer Geburt hatte Ninive – wie alle Klone – regelmäßig Neurohemmer bekommen, die die Aktivität in bestimmten Regionen ihres Gehirns regeln sollten. Die Langzeitwirkung dieses Vorgehens war aber noch weitgehend unerforscht. Es gab Vermutungen, die eine Parallele zwischen den Neurohemmern und einer besonderen Form von Autismus herstellten, der bei einigen Klonen im Erwachsenenalter auftrat.
    In Ninives Fall war alles weitgehend nach Plan verlaufen. Die Hemmer hielten bestimmte unterbewusst und instinktiv gesteuerte Vorgänge in ihrem Gehirn in kontrollierbaren Bahnen. Das sorgte aber dafür, dass sie mit zunehmendem Alter emotionale Erfahrungen machte, die normale Menschen im Kindesalter durchlaufen. Dieses plötzliche Gefühl des Heimatverlustes führte sie darauf zurück.
    Der Gedanke, dass das Einsetzen dieser Empfindung mit den Neurohemmern zu tun hatte, beruhigte sie auf einer rationalen Ebene. Doch auch diese Erkenntnis verhinderte nicht, dass Ninive zum zweiten Mal an diesem Abend in Tränen ausbrach. Ein Gefühl unendlicher Einsamkeit ergriff sie. Sie zog ihre Knie nah an den Oberkörper und versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bringen, doch es wurde nur noch schlimmer. Ninive ließ sich seitwärts aufs Bett sinken und vergrub ihr Gesicht in der Bettdecke. Dabei fiel ihr etwas ein, das Rasmus vor Jahren zu ihr gesagt hatte, als sie beide noch ein Liebespaar waren. Lass dich fallen, versuche nicht, gegen deinen Körper anzukämpfen! Das war sein Rat gewesen. Damals ging es zwar um ein ganz anderes Gefühl, doch es brachte die Chemie ihres Körpers ähnlich durcheinander.
    Ninive atmete tief ein. Dann presste sie ihr Gesicht tief in die Bettdecke und schrie ihren Schmerz heraus.
    Minuten später war sie erschöpft, aber sie fühlte sich wieder ausgeglichener und gefestigt. Ein Moment der Nüchternheit folgte. Ninive fühlte noch immer die Einsamkeit, die sie umgab. Doch es war jetzt ein Gefühl wie von einem kalten, auffrischenden Wind.

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