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Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)

Titel: Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Faras
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konnte. Auch optisch waren keine Besonderheiten zu erkennen, keine Konditionierung des Körpers durch entsprechende Institutsausbildung, keine Schäden durch experimentelle Neurohemmer. Auffällig war eher das, was er in den Menschen, die ihn umgaben, auslöste. Ninive hatte ein Muster erkannt, das ihr bemerkenswert erschien. Seit seinem Auftauchen hatte sich die Dynamik verändert. Es war, als hätten die anderen – Lilian, Seamus, Martin – ihr Verhalten als Gruppe auf ihn ausgerichtet. Ninive hatte bereits vermutet, dass er so etwas wie ihr Anführer war, und einige Bemerkungen in Gesprächen, die sie auf dem Weg zum Boot mitgehört hatte, bestätigten ihr das. Ninive fand diesen Umstand deshalb bemerkenswert, weil sie bislang solche Muster nur bei Personen kannte, die bestimmte physische Ausnahmeerscheinungen wie besonders imposante Größe oder Stärke, mit sich brachten, oder in entsprechend hohen Ämtern bei Regierung oder Konzernen waren.
    „Das habe ich nicht gesagt.“ Ilyenas Antwort riss sie aus ihren Gedanken. „Doch jedes Mal wenn Klone auf Isaak stoßen, scheint er diese wie magisch anzuziehen und sie wollen nicht mehr von seiner Seite weichen.“
    „Nicht nur die Klone, wie mir scheint“, murmelte Ninive.
    „Dass wir ihm so bereitwillig folgen liegt nur daran, dass er der fähigste Anführer ist, den es weit und breit gibt. Das ist etwas anderes. Wir folgen ihm, weil er uns überzeugt hat.“ Ilyena wendete den Blick zur Seite, und Ninive hatte das Gefühl, dass das Gespräch – oder zumindest dieses Thema – damit für sie beendet war.
    Der Abend zog über Camaret auf. Seit ihrer Rückkehr am frühen Nachmittag hing jeder seinen eigenen Tätigkeiten nach. Für Ninive hieß das vor allem, dass sie weiterhin versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Martin, Isaak und Ilyena waren losgezogen, um in den leer stehenden Häusern der kleinen, verlassenen Stadt nach nützlichen Dingen wie Munition, Proviant oder ähnlichem zu suchen. Lilian war im Keller des Hauses verschwunden, aus dem von Zeit zu Zeit Geräusche einer Säge und eines Hammers zu hören waren. Seamus kümmerte sich darum, aus den spärlichen Vorräten, die sie hatten, Essen zuzubereiten. Ninive hatte ihm eine Zeitlang zugesehen. Sie saß im offenen Fenster der kleinen, heruntergekommenen Küche, den Rücken gegen den Rahmen gelehnt. Doch nach einigen erfolglosen Ansätzen, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, hatte sie sich aus dem Fenster geschwungen, war im hohen Gras des verwilderten Gartens gelandet und zu einer halb verfallenen Bank nahe der hohen Hecke gegangen, von wo aus sie einen Blick über das unter ihnen liegende Camaret und die Bucht hatte.
    Erneut fragte sie sich, wie es jetzt weitergehen sollte. War sie noch auf einer Mission? Sie hatte keine Zweifel mehr daran, dass es richtig gewesen war, sie früh genug aus dem Zug zu holen. Auch wenn sie noch immer eine Kopfwunde von der Rettungsaktion hatte, sie war Lilian dankbar. Doch was nun? Die Children of Chou, dieser General, sie hatten offensichtlich etwas vor, doch Ninive wusste zu wenig um sagen zu können, ob das irgendetwas mit ihr zu tun hatte oder sie in irgendeiner Weise betraf. Andererseits schienen die Menschen um sie herum seit Isaaks Auftauchen zielstrebig zu sein, als würden sie auf etwas hinarbeiten. Ninive empfand das als Erleichterung, auch wenn sie gerne mehr gewusst und bei den Dingen, die sie taten, geholfen hätte. Doch sie hatte das Gefühl, dass ihr seit ihrer Rückkehr alle aus dem Weg zu gehen versuchten. Und dennoch war auch das Warten im Ungewissen besser als die Vorstellung, sie würde wieder nach Paris zurückkehren. Diese Stadt war ihr ganzes Leben lang ihr Zuhause gewesen. Für einen Klon hatte sie auch ein sehr gutes Leben geführt, sie konnte sich über nichts beklagen. Und dennoch steuerte etwas ihre Gedanken, das ihr sagte, sie müsse weg von Paris und nie wieder zurückkehren.
    Der Wind hatte aufgefrischt und schickte Wellen durch das Gras vor dem Haus. Ninive sah auf und über die sich wiegenden Halme. Lilian durchquerte den Garten und kam auf sie zu. Sie war verschwitzt und feine Metallspäne, Ruß und Öl bedeckten ihre Haut und Kleidung. Lässig über die rechte Schulter geworfen trug sie einen Leinenbeutel.
    „Lilian“, Ninive sprang von der Bank auf und ging auf sie zu. „Hast du jetzt Zeit...?“
    „Ich wollte gerade zu dir“, entgegnete Lilian. „Ich mache mich auf den Weg runter zum Strand“, sie klopfte auf ihren Kampfanzug

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