Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
privaten Journal.“
Die Worte hingen einen Moment in der Luft und es wurde still. Draußen hatte der Regen erneut eingesetzt, heftiger als zuvor sogar. Wind kam auf und blies die Regengischt unter das Dach der Veranda, wirbelte trockenes Laub aus den Ecken auf und trug es hinaus in den Wald. Der graue Himmel über den Baumkronen wurde immer dunkler, und als Sequana ihren Blick vom Fenster abwendete und zu Gallea blickte, sah sie ihn nur schemenhaft, bis sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit im Inneren gewöhnt hatten.
„Gut, welche Spuren haben wir?“, begann Gallea schließlich. „Es muss einen Grund geben, warum Cédric uns zusammengeführt hat. Unsere einzige Schnittstelle ist das Projekt von damals. Das würde auch erklären, warum er dir genau diese Informationen gegeben hat.“
„Er hat mich vor einigen Tagen auch auf Ninive und die Mission angesetzt. Ich denke, es könnte mit uns zu tun haben. Das Ziel unserer Reise – hätte sie stattgefunden – wäre Camaret gewesen, der Ort, an den Ninive zu ihrer Mission aufgebrochen ist.“
„Ninive ist unsere offensichtlichste Spur, doch da sie weit weg von Paris ist, ist sie vielleicht nicht unsere beste“, gab Gallea zu bedenken. „Da wäre noch Sasha. Wenn Cédric demonstrativ nicht über sie sprechen wollte, muss etwas in der Vergangenheit passiert sein, das mit ihr zu tun hat. Vielleicht hilft uns das weiter?“
„Und Cygne, aber über den wissen wir gar nichts“, schloss Sequana. „Natürlich könnte ich versuchen, auch in meiner eigenen Vergangenheit zu stöbern, aber da finde ich auf Kommando leider nicht viel.“
„Wenn ich unbehelligt ins Institut kommen würde, könnte ich dir vielleicht helfen. Ich kenne Cédric und seine Methoden. Er hat dein Gedächtnis garantiert biochemisch blockiert. Mit den richtigen Medikamenten kann man das vielleicht rückgängig machen.“
„Nein“, entgegnete Sequana bestimmt, „das ist keine Option. Oder vielleicht unsere allerletzte. Aber ich habe das hier gefunden“, sie öffnete ihren Rucksack und holte das Bild hervor, das sie auf dem Flügel im Salon gefunden hatte. „Vielleicht gibt es hier noch mehr Dinge von damals, die uns weiterhelfen?“
Gallea griff nach dem Bild und sah es sich lange an. Zu Sequanas Erstaunen bemerkte sie, dass er stumm weinte, während er die Gesichter der drei Mädchen ansah. Sie schluckte und sah ihn unschlüssig an. Auf solche Situationen war sie nicht vorbereitet. Wie musste sie reagieren, wenn jemand weinte, obwohl er keine offensichtlichen Schmerzen hatte? Unruhig rutschte sie auf ihrem Platz hin und her, dann streckte sie die Hand aus und nahm ihm das Bild wieder weg.
„Du hast Recht, wir sollten uns im Keller umsehen. Und in den oberen Arbeitsräumen, aber dafür müssen wir klettern und riskieren, dass der Boden unter uns einbricht. Wahrscheinlich sollte ich das machen. Ich habe das Suchregister der Sec-Teams gesehen, du stehst nicht auf der Liste. Ich gehe davon aus, dass du dich in Paris noch frei bewegen kannst. Du solltest versuchen, Sasha zu finden.“
„Das gilt aber nur für den Keller. Die Räume oben sind zu gefährlich als dass das einer alleine macht“, entschied Sequana. „Cygne können wir bis auf weiteres als Fährte streichen. Und den Weg nach Camaret gehen wir wirklich als letzten?“
„Wenn ich erst Paris verlassen habe, wird es schwer für mich, wieder zurückzukehren, wenn ich mich nicht den Sec-Teams stelle. Und du hängst dann auch noch in der Sache mit drin. Wenn wir nach Hinweisen in Paris suchen wollen, dann sollten wir das zuerst machen. Und in Camaret, wer weiß, was dort ist? Vielleicht finden wir niemanden mehr und die Spur ist tot. Wie viele Tage Vorsprung hat Ninive mittlerweile?“
„Drei ... dreieinhalb, sie ist vor drei Tagen früh morgens aufgebrochen.“
Erneut kehrte Stille ein. Sequana zog ihre Jacke enger um sich, als sie den Luftzug spürte, der durch die morsche Dichtung der Fenster ins Haus drang. Sie verspürte keine große Lust, die Villa bei dem Wetter wieder zu verlassen, so ungemütlich und wenig einladend das Gebäude auch war. Die Vorstellung in ihre eigene Wohnung zurückzukehren behagte ihr nicht. Trotz des immer noch nicht ganz überwundenen Argwohns hatte sie in Bertrand Gallea einen Mitstreiter gefunden. Doch er wurde von den Sec-Teams gesucht, und niemand konnte garantieren, ob er morgen noch da war, wo sie ihn suchte.
„Glaubst du nicht, dass die Sec-Teams hier nach dir suchen werden? Früher
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