Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
gehen.“
„Dann bist du auch ein Somatoniker?“
„Ich habe keine Sangre-Fähigkeiten, wenn du das meinst, aber ich stamme aus demselben Labor wie du und Sequana. Man hat euch manipuliert. Versuche dich an Dinge zu erinnern, die in deiner Kindheit waren. Was siehst du? Nur die große schwarze Leere?“
„Vergiss meine Erinnerungen“, entgegnete Ninive, „viel wichtiger ist, was wir jetzt mit dir machen sollen.“
„Ich bin nur hier, um dich zu warnen. Ich habe nicht die Illusion, dich zur Rückkehr nach Paris zu bewegen, Ninive, aber bitte denke an meine Warnung. Die Children of Chou sind gefährlich. Wenn du dich einmal mit ihnen eingelassen hast, dann gibt es kein Zurück mehr. Was mich betrifft … wenn ihr gegen die Children of Chou kämpft, biete ich gerne meine Dienste an.“
„Ich werde mit den anderen reden. Vielleicht hast du Informationen, die uns nützlich sein können.“
Erneut wollte sie sich der Tür zu wenden, doch dieses Mal war es Lumière, der sie zurückhielt.
„Ninive … warte! Ich erwarte nicht, dass du mir glaubst, aber versuche dich zu erinnern.“
„Ich will mich nicht erinnern“, erwiderte Ninive kühl, „aber ich bin bereit, dir zu vertrauen. Auch wenn mein Verstand damit ganz und gar nicht einverstanden ist.“
Sie verließ den Raum und verriegelte die Tür hinter sich. Langsam atmete sie durch. Sie hatte es satt, dass sie erneut mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden sollte. Sie hatte ihr Leben bislang sehr gut ohne überflüssige Erinnerungen im Griff gehabt. Niemand musste ihr sagen, wer sie war oder wovor sie Angst haben musste.
„Ninive.“ Die Stimme hinter ihr ließ sie aufschrecken. Sie wandte sich von der Tür ab und sah Isaak, der an einer Wand nahe Lumières Kabine lehnte.
„Er sagt, er kann uns gegen die Children of Chou helfen“, begann Ninive, „und ich glaube, er könnte wertvolle Informationen für uns haben.“
„Traust du ihm?“ Isaak kam ein Stück auf sie zu.
„Nein“, entgegnete Ninive ohne länger nachzudenken, „aber um mein Urteilsvermögen ist es zurzeit nicht gut bestellt. Eigentlich fällt es mir schwer, irgendwem zu trauen.
Isaak blieb stehen. Es war nur eine kurze Reaktion, ein Unterbrechen der beiläufig schlendernden Schritte, doch sie war abrupt. Ninive fragte sich, ob sie ihn mit ihren Worten getroffen hatte. Es war nicht ihre Absicht gewesen. Oder vielleicht doch?
„Wegen letzter Nacht“, begann er.
„Isaak, du musst nicht …“, wollte Ninive abwinken, doch er schüttelte den Kopf und sprach weiter.
„Es tut mir Leid, dass ich Nina erwähnt habe. Es wäre fairer gewesen, dir nichts über den Ursprung des Klonprogramms zu erzählen.“
„Ich werde weder gerne belogen noch im Unklaren gelassen“, stellte Ninive klar. „Ich weiß, dass du in dieser Situation nichts sagen konntest, was richtig gewesen wäre, aber ich weiß es zu schätzen, dass du so offen zu mir warst.“
„Und genau darum geht es. Was ich gestern gesagt habe, dass es mir darum geht, dich als fähiges – und außergewöhnliches – Mitglied des Teams dabei zu haben, das stimmt. Ich will nicht abstreiten, dass ich einige Kämpfe mit meinem Unterbewusstsein auszufechten haben werde, bis mein Herz akzeptiert hat, was mein Verstand bereits weiß. Aber ich gebe dir mein Wort, dass ich jede andere Absicht als die, dich als Mitstreiter und vielleicht als Freund an meiner Seite zu wissen, eliminiert wird, ohne dass ich dich damit auf irgendeine Art und Weise belasten werde.“
Ninive wandte instinktiv den Blick ab und biss sich auf die Unterlippe. Langsam bewegte sie Kopf und Nacken durch, um ihre Reaktion zu überspielen. Seit ihrer Unterhaltung mit Lilian während des Frühstücks hatte sie immer wieder darüber nachgedacht, wie sie die Situation sah. Sie hatte eine Ahnung, dass sie aller Vernunft zum Trotz Isaaks Nähe früher oder später suchen würde. Doch für den Moment hatte sie sich hinter der Tatsache versteckt, dass sie allen Grund hatte, selbst Distanz zu wahren und ein angemessenes Maß an Selbstmitleid zu pflegen.
„Kannst du damit leben?“, fragte Isaak und sah mit einem Funken Sorge, dass sie noch immer ihre Schultern durchbewegte.
„Ja … natürlich“, log Ninive und zwang sich ihn direkt anzusehen.
„Gut“, entgegnete er einsilbig. Bildete sie sich das nur ein, oder klang er nicht so erleichtert, wie er es vorgab? „Was ist mit deinem Nacken?“
„Heute Nacht blöd gelegen.“
„Hmm… soll ich mal“, er
Weitere Kostenlose Bücher