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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklas Frost
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Störung«, sagte Stamm. »Aber
ich wollte eigentlich meinen alten Freund Ulrich Dembski besuchen. Jetzt finde
ich seinen Namen nicht auf dem Klingelschild. Kann es sein, dass er gar nicht
mehr hier wohnt?«
    »Na, des sieht wohl ganz danach aus«, zwitscherte die Frau, »wenn
der Name net auf dem Schild steht.« Stamm versuchte, den Dialekt der Frau
einzuordnen, es war irgendwie süddeutsch, aber nicht österreichisch. »Wie war
noch amal der Name?«
    »Dembski«, betonte Stamm.
    »Augenblickle, ich frag amal mein Mann.« Konnte es Schwäbisch sein?
    Nach einer knappen Minute war die Frau wieder dran. »Ich drück amal
auf, mir müsse uns ja net vun de Straße aus unterhalte.«
    Stamm ließ den Aufzug links liegen und nahm die Treppen bis ins
zweite Obergeschoss. Die Tür rechts stand offen, und im Rahmen wartete seine
Gesprächspartnerin. Sie wirkte schlank und sportlich in ihrem violetten
Jogginganzug, das enge Oberteil spannte über schweren Brüsten, die
dunkelbraunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Beim Näherkommen
registrierte Stamm in ihrem schönen Gesicht Tränensäcke und offene Poren. Sie
hatte sich gut in Form gehalten, konnte aber nicht verbergen, dass sie die
fünfzig wohl schon überschritten hatte. Stamm legte sein charmantestes Lächeln
auf.
    »Ich möchte wirklich nicht stören«, flunkerte er. »Es ist nur, ich
bin jetzt extra rüber nach Kitzbühel, um meinen alten Freund zu überraschen,
und da isser gar nicht mehr da. Ich bin ein bisschen beunruhigt.«
    »Kommense rein«, sagte die Frau und machte ihm Platz.
    Er streifte sie fast, als er über die Türschwelle trat. Sie roch gut
nach einem blumig parfümierten Duschgel. In der Diele blieb er stehen und ließ
ihr den Vortritt. Diesmal streifte sie an ihm vorbei und schenkte ihm aus
nächster Nähe ein heiter-neugieriges Lächeln.
    Die Wohnung war viel schöner, als das schmucklose Äußere des Hauses
ahnen ließ. Das Wohnzimmer hatte locker vierzig Quadratmeter, Buchenparkett in
lebhafter Färbung, große Fensterfront und entsprechend hell, freier Blick auf
grüne Berge. Am anderen Ende des Zimmers ein schwerer Holztisch, an dem ein
Mann vor einem üppigen Frühstücksmahl saß, Champagner inklusive. Auf dem Tisch
standen eine Flasche Moët und zwei Kelche. Der mutmaßliche Herr Bauer hatte
sich vom Besuch nicht stören lassen, er schmierte sich gerade Pastete aufs
Brötchen.
    »Sehr gemütlich haben Sie es hier«, sagte Stamm. »Sie holen aus der
Wohnung viel mehr heraus als Ulrich. Mein Name ist übrigens Peter Vossen.«
    Der mutmaßliche Herr Bauer, ein untersetzter Mittsechziger mit
Halbglatze, der einen Hausmantel aus Seide über seinem Jogging-Anzug trug,
wischte sich die Finger an einer Serviette ab und stand auf.
    »Günter Bauer«, stellte er sich mit tief-knarziger Stimme vor und
reichte Stamm die Rechte. »Gläschen Schampus?«, fragte er mit einer einladenden
Geste.
    »Ich will wirklich nicht stören.«
    »Ach was«, wischte Bauer seine Bedenken mit seinem Bass weg. »Wenn
wir uns gestört fühlen würden, hätten wir Sie nicht hereingelassen. Monika, hol
mal ein Glas für den Herrn Vossen. Und am besten auch gleich einen Teller, der
Jung sieht doch ganz verhungert aus.«
    »Na schön«, lenkte Stamm ein. »Es gibt ganz bestimmt Schlimmeres,
als mit einem Gläschen Möht in den Tag zu starten.«
    »Aber hundertprozentig, da kann man den Brunch gleich in ein
Mittagsschläfchen münden lassen, am Nachmittag dann, wenn’s ein bisschen wärmer
ist, eine Neun-Loch-Runde drüben beim Kaps, und dann ist es auch schon wieder
Zeit für die Cocktails, bevor man sich fürs Abendessen fein macht.«
    Günter Bauer kam definitiv nicht aus Schwaben, er klang eher nach
Ruhrgebiet.
    »Klingt, als könnte man’s aushalten«, sagte Stamm und setzte sich
auf den Stuhl, den ihm Bauer mit einer Handbewegung zuwies. Die Jacke hängte er
über die Lehne.
    »Na ja, für immer ist das natürlich nix. Ein paar Monate muss ich
mich auch noch um die Firma kümmern. Die hat zwar mein Ältester übernommen,
aber ab und zu muss man ihm noch auf die Finger gucken. Sie wissen ja, die
kommen von der Uni und glauben, sie müssten gleich die ganze Theorie, die man
ihnen eingebläut hat, in der Firma umsetzen. Die müssen ab und zu von einem
alten Praktiker geerdet werden.«
    Monika Bauer kam mit Teller, Besteck und Sektkelch und stellte alles
vor Stamm hin. Dann setzte sie sich dazu und nippte an ihrem Glas.
    »Hau rein, Jung!«, forderte ihn Bauer auf,

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