Soljanka (German Edition)
indem er ihm Champagner
einschenkte.
»Sehr nett von Ihnen, wirklich, ich weiß gar nicht …«
»Papperlapapp«, unterbrach ihn Bauer. »Ist ja eh viel zu viel für
uns.«
Stamms Magen signalisierte ihm, dass sein Frühstück mehr als fünf
Stunden her war. Er belegte ein Brötchen mit Tiroler Bergkäse und biss herzhaft
hinein.
»Ja, wie gesagt, ich wollte eigentlich meinen alten Freund Ulrich
Dembski besuchen«, nahm Stamm mit halb vollem Mund den Faden wieder auf. »Wir
haben uns ein wenig aus den Augen verloren. Ich war die letzten Jahre in
Übersee, jetzt habe ich in Salzburg zu tun, und da wollte ich ihn überraschen.
Sie wissen nicht zufällig, wo er abgeblieben ist?«
»Keinen Schimmer«, sagte Bauer. »Ich kann mich gar nicht erinnern,
dass wir ihn kennengelernt hätten. Oder, Monika?«
»Nein, i wüsst aa net.«
»Also wir haben die Bude hier seit sechs Jahren … oder Moment,
dürften sogar bald sieben sein, aber Dembski …? Nee.«
»Darf ich fragen, von wem Sie sie gekauft haben?«
Bauer lachte. »Von niemandem. Aus dem einfachen Grund, weil wir
immer noch zur Miete wohnen. Wollten erst mal sehen, ob das was für uns ist,
bevor wir uns so ’n Domizil fern der Heimat ans Bein binden. Wo kommen Sie
her?«, fragte er plötzlich.
»Düsseldorf«, sagte Stamm.
Bauer lachte. »Hab ich mir gedacht. Die Sprache ist auch nach Jahren
in Übersee verräterisch. Sehen Sie, meine Frau hier, die kommt aus Tübingen,
und das hören Sie nach einem Satz, obwohl sie seit mehr als dreißig Jahren im
Pott lebt. Ich bin gebürtiger Essener, tiefstes Arbeitermilieu in Kray,
inzwischen haben wir uns nach Bredeney verbessert. Die Firma ist aber in
Velbert. Wir stellen Schlösser für Autotüren her, zweihundertfünfzig
Mitarbeiter. Da sind auch Düsseldorfer dabei.«
Stamm trank einen Schluck Schampus und schmierte sich noch eine
Brötchenhälfte.
»Und ist das was für Sie, hier in Kitzbühel?«, fragte er.
»Auf jeden Fall, die Berge, frische Luft, herrlich! Golfplatz vor
der Haustür, Spa für meine Frau um die Ecke, was will man mehr. Inzwischen
hätte ich die Bude längst gekauft, wenn sie zum Verkauf stünde. Aber der
Eigentümer will nicht. Ich könnt mir ja woanders was suchen, aber wir haben uns
hier so gut eingelebt …«
»Tja, dann scheint Ulrich die Wohnung verkauft zu haben«, sagte
Stamm.
»Scheint so, ja«, sagte Bauer. »Unser Vermieter ist jedenfalls eine
GmbH. Eine Immobilien- oder Vermögensverwaltungsgesellschaft, was weiß ich.
Judo GmbH mit Sitz in Kitzbühel.«
Stamm holte seinen Notizblock aus der Jackentasche und notierte sich
den Namen.
»Haben Sie da einen Ansprechpartner? Vielleicht weiß dort ja jemand,
was mit Ulrich Dembski ist?«
»Unsere Ansprechpartnerin ist die Hausverwalterin, eine Frau
Juraschek, wohnt im Haus nebenan. Ich habe mich nie darum gekümmert, in welchem
Verhältnis sie zu Judo steht.«
»Na, dann werde ich mal Frau Juraschek fragen, vielleicht weiß sie
ja etwas über Ulrich Dembski.«
»Tun Sie das«, lachte Bauer, »aber nehmen Sie vorher noch einen
Schluck zur Stärkung. Die Frau ist ein ziemlicher Drachen.«
Sie plauderten noch eine Weile über die Authentizität des
Ruhrgebiets, Bauer schwärmte vom herrlichen Ruhrtal, das er durchqueren musste,
wenn er von Bredeney nach Velbert fuhr – und zwar so ausgiebig, dass sich Stamm
zu fragen begann, was in Gottes Namen den Schlossfabrikanten nach Kitzbühel
gezogen hatte. Im näheren Einzugsgebiet des Ruhrtals gab es mindestens fünf
Golfplätze, und ein adäquates Spa für Frau Bauer würde sich zwischen den
Hinterlassenschaften des Kohlebergbaus mit Sicherheit auch finden lassen. Als
die Flasche Champagner leer war, bedankte sich Stamm für die herzliche
Gastfreundschaft und verabschiedete sich.
Bevor er bei Frau Juraschek klingelte, lief er ein paar Schritte, um
die Sektnebel aus dem Kopf zu bekommen und seine Gedanken zu ordnen. Er
beschloss, die Alter-Freund-aus-Übersee-Nummer weiterzuspielen.
»Ja bitte«, klang es wienerisch lang gezogen aus der Sprechanlage.
»Ja guten Tag, Frau Juraschek?«
»Ja?«
»Mein Name ist … äh, Peter Vossen, ich bin ein alter Freund von
Ulrich Dembski und wollte ihn besuchen. Jetzt höre ich aber, dass er schon vor
Jahren weggezogen ist. Man sagte mir, dass Sie das Haus hier verwalten.«
Es blieb eine Weile still.
»Frau Juraschek?«, brachte sich Stamm in Erinnerung.
»Ja, also … Ulrich Dembski. Ach je, des ist tatsächlich lange her.
Wie soll ich sagen
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