Soljanka (German Edition)
Bezirk
zugewiesen bekommen. Sie sind meistens Einzelkämpfer, manchmal haben sie einen
Partner oder beschäftigen für ein paar Jahre Nachwuchskräfte, die
Notarassessoren. Große Kanzleien können in diesem System gar nicht entstehen.«
»Und Kostedde war Anfang der Neunziger Notarassessor bei RK und Partner?«
»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich eher nicht mehr. Er hatte ja
später seine eigene Kanzlei als Rechtsanwalt. Aber gesetzt den Fall, dieser van
… wie hieß er noch?«
»Van Wateren.«
»… dieser van Wateren musste ersetzt werden, dann wird
Riemenschneider in seiner Kanzlei nicht allzu viel Auswahl gehabt haben.«
»Also hat er auf die Familie zurückgegriffen. Kostedde kannte ja das
Geschäft, auch wenn er nicht mehr im Notariat tätig war.«
»Wäre eine Möglichkeit. Ich nehme an, für dieses Geschäft in
Mecklenburg war die örtliche Notarzulassung keine Voraussetzung.«
»Na gut«, sagte Stamm. »Das müsste ja eigentlich herauszufinden
sein. Du hast was gut bei mir, Lothar.«
»Ich kann mich ja mal bei einigen älteren Kollegen umhören«, bot
Rosenblatt an. Er war jetzt richtig aufgekratzt. »Vielleicht können die mit dem
Namen was anfangen. Buchstabier ihn mir doch mal eben.«
Stamm saß noch eine Weile am Esstisch und betrachtete versonnen
das Telefon, das er vor sich aufgestellt hatte. Als ihm endgültig niemand mehr
einfiel, den er hätte anrufen können, stand er auf und stellte den Hörer in die
Ladestation.
Eva kam im Bademantel und mit einem Handtuch um den Kopf aus dem
Bad. Sie sah blass aus, obwohl sie bestimmt eine Stunde in der Badewanne
gelegen hatte. Oder vielleicht gerade deshalb? Sie ließ sich auf einen Stuhl
fallen.
»Kreislauf?«, fragte Stamm.
»Ich weiß nicht«, murmelte Eva einsilbig.
»Leg dich eine Weile hin! Aber nicht mehr ins Wasser. Ich hab das
Gefühl, das strengt dich an. Soll ich dir einen Happen zu essen zurechtmachen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht. Da ist so eine leichte
Blutung.«
Stamm sah sie unsicher an. »Was hat das zu bedeuten?«
»Wenn ich das wüsste … Es muss nicht unbedingt etwas Schlimmes sein.
Es könnte aber auch eine Plazentaablösung sein. Das wäre sehr schlimm.«
Stamm fuhr sich nervös mit der Hand über den Mund. »Sollen wir ins
Krankenhaus fahren?« Eva reagierte nicht. »Komm, ist vielleicht besser«,
insistierte er. »Wenn alles in Ordnung ist, bist du wenigstens beruhigt.«
Eva starrte bedrückt auf ihre Hände, die sie auf dem Tisch gefaltet
hatte. »Ich hab Angst, dass sie mich dabehalten«, murmelte sie.
»Wenn sie es tun, wird es nötig sein. Umso wichtiger, dass wir
sofort hinfahren.«
Erst als sich die junge Assistenzärztin im Evangelischen
Krankenhaus auf den Stuhl neben dem Untersuchungsbett niedersinken ließ,
bemerkte Stamm ihre Erschöpfung. Der fröhliche Grundausdruck ihres runden
Gesichts wurde durch tiefe Augenringe getrübt. Sie unterdrückte ein Gähnen.
»Also alles in allem sieht es ganz gut aus«, fasste sie die Untersuchungsergebnisse
zusammen. Halbe Stunde CTG , Ultraschall- und
manuelle Untersuchung hatten keinen Hinweis auf eine Plazentaablösung ergeben.
»Ich würde Sie aber gern eine oder zwei Nächte hierbehalten.«
»Warum?«, fragte Eva.
»Zur Beobachtung. Wir konnten nicht feststellen, woher die Blutung
kommt. Wie gesagt, das muss nichts heißen. Aber Sie sollten sich
sicherheitshalber einige Zeit absolut ruhig verhalten. Und das geht
erfahrungsgemäß besser im Krankenhaus.«
»Ich komme auch zu Hause nicht auf die Idee, die Fenster zu putzen.«
»Das sollten Sie sowieso gar nicht mehr bis zur Geburt. Aber im
Moment auch nicht kochen, spülen, Staub wischen, Wäsche waschen. Am besten wäre
es, Sie bleiben liegen, bis die Blutung weg ist.«
»Das krieg ich hin.«
»Ihre Entscheidung. Sie müssten mir dann ein Formular
unterschreiben, dass Sie das Krankenhaus auf eigene Verantwortung verlassen.
Und wenn die Blutung in zwei Tagen nicht ganz weg ist, sollten Sie Ihren
Gynäkologen aufsuchen.«
»Tja, dann weißt du ja, was du heute zu tun hast«, sagte Eva,
als sie wieder im Auto saßen. Sie lächelte Stamm freudlos an.
»Kochen, spülen, Wäsche waschen. Was war das vierte?«
»Staub wischen.«
»Ich hatte gehofft, du hast es vergessen«, seufzte er. »Worauf hast
du Appetit?«
»Im Moment auf gar nichts.«
»Hallo?! So geht das aber nicht. Ein bisschen moralische
Unterstützung brauche ich schon. Sonst gibt’s Fischstäbchen.«
Evas Lächeln wurde
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