Soljanka (German Edition)
Vorstellung
gestört. Vielleicht hat er aber auch gar nichts gewusst. Verstehen Sie, das
Motiv ist letztlich gar nicht so wichtig. Mir geht’s um etwas anderes. Es geht
um die Frage, was Rico an diesem Abend beim Volksfest eigentlich gemacht hat.
Ich habe gemerkt, dass Sie gestern skeptisch waren, als die Rede auf Ricos
Alibi kam. Mein Mann hat ja gesagt, dass Ricos Freunde suggestiv befragt worden
sind. Es war Ihnen anzusehen, dass Sie das nicht glauben. Und vielleicht haben
Sie recht damit. Ich glaube auch, dass Rico nicht mit seinen Freunden zusammen
war, als … als Angela Dembski vergewaltigt wurde. Ich bin überzeugt davon, dass
er mit Birgit zusammen war. Die beiden haben sich aber nicht getraut, es zu
sagen. Verstehen Sie mich? Rico hat sich wohl wirklich in Widersprüche
verstrickt. Aber er hatte einen guten Grund, und der hatte nichts mit der
Vergewaltigung zu tun.«
»Das klingt plausibel«, murmelte Stamm. »In der Tat.« Er schloss
eine Weile die Augen und dachte nach. Schließlich sprach er die Frage aus, die
sich ihm aufdrängte. »Warum haben Sie ihn nicht ermuntert, mit der Wahrheit
herauszurücken?«
»Ich war im Begriff, es zu tun. Wir hatten gerade so langsam
mitbekommen, welche Richtung die Ermittlungen nahmen … Ich war zu spät dran.«
Sie hatten gutes Reisewetter. In der Sonne mochte das
Thermometer sogar knapp den Gefrierpunkt überspringen. Während der Fahrt rief
Stamm in der Redaktion an und gab Hanne einen Kurzbericht über die Ergebnisse
ihres Trips in den wilden Nordosten. In Düsseldorf war alles ruhig gewesen.
Wegen Eva mussten sie alle zwei Stunden eine Pause einlegen, sodass sie erst
bei Einbruch der Dunkelheit kurz nach fünf Uhr am Nachmittag ankamen. Sie
bestellten ihr Abendessen bei einem Pizzaservice in der Nähe. Eva nahm eine
Margherita, die sie, einem spontanen Bedürfnis folgend, mit frittierten Kapern,
Senfgurken und milden Peperoni belegte. Stamm wählte Salami mit anständig
Knoblauch und »bisseken scharf«. Nach dem Essen legten sie auf Evas Wunsch die DVD mit dem dritten Indiana-Jones-Film ein und gingen
anschließend ins Bett.
ZEHN
Die Schlagzeile sprang Stamm ins Auge, als er am nächsten
Morgen beim Brötchenholen an einem Büdchen vorbeiging. »Detektivmord: War es
die Russenmafia?«, schrie es von der gesamten oberen Hälfte der
Express-Titelseite. Stamm kaufte sicherheitshalber gleich noch die
Bild-Zeitung, die RP und die NRZ , die WZ steckte noch
in seinem Briefkasten.
Den Express-Artikel hatte er durch, bevor er beim Bäcker ankam.
Kollege Peters war gut gefüttert worden, entweder von einer Quelle bei der
Polizei oder von sonst woher. Keilmeier stand nicht mit Namen drin, aber die im
Express wiedergegebene Kurzfassung seiner Aussage entsprach im Großen und
Ganzen dem, was sie am Montagabend im Weinkeller des Baulöwen besprochen
hatten.
Besorgt über ein »undurchsichtiges« Immobiliengeschäft, das sich da
zwischen der Stadt Düsseldorf und »gewissen russischen Kreisen« anzubahnen
schien, habe der nicht namentlich genannte Bauunternehmer einen Detektiv mit
Nachforschungen beauftragt. Und nun war der Privatschnüffler tot. »Zufall?« Die
Polizei werte den Vorgang als erste heiße Spur im Mordfall, wohingegen
Oberbürgermeister Kostedde die Gerüchte in gewohnt diplomatischer Manier als
»Quatsch« abtat.
Die anderen Zeitungen sparte sich Stamm fürs Frühstück auf. Es gab
auf den Titelseiten keine Indizien, dass sie über die Informationen des Express
verfügten. Nach anderthalb Brötchen und zwei Kaffee wusste Stamm, dass Peters
tatsächlich einen Exklusiv-Coup gelandet hatte. Er holte sich das Telefon und
rief Wanja an.
»Schon Express gelesen?«, fiel er mit der Tür ins Haus, nachdem sich
Wanja mit belegter Stimme gemeldet hatte.
Wanja räusperte sich. »Der wird mir nicht ans Bett gebracht. Was
steht denn drin?«
»Keilmeiers Aussage bei der Polizei.«
»Mhm, verstehe. Hatten wir das nicht so besprochen?«, fragte Wanja
mit einem Anflug von Unsicherheit.
»So ungefähr zumindest. Wie sind die denn an die Info gekommen? Von
euch oder von der Polizei?«
»Frag mich was Leichteres. Ich hab seit ein paar Tagen nichts mehr
von der Sache gehört.« Er klang nach wie vor ein wenig bekümmert.
»Wenn es nämlich von euch kam, war’s keine so gute Idee, den Express
exklusiv zu bedienen. Könnte sein, dass sich die anderen benachteiligt fühlen
und aus Trotz auf Gegenposition gehen. Ich mein, mir soll’s egal sein, ich
wollte es nur mal
Weitere Kostenlose Bücher