Soljanka (German Edition)
Wateren? Claus van Wateren?
Muss so Anfang der neunziger Jahre gewesen sein. War damals noch einigermaßen
jung, ist aber zu der Zeit spurlos verschwunden.«
»Van Wateren?«, wiederholte Rosenblatt. »Hier aus Düsseldorf?«
»Zumindest aus der Gegend.«
Es blieb ein paar Sekunden still in der Leitung. Schließlich sagte
Rosenblatt: »Der Name sagt mir so jetzt nichts. Was heißt denn ›verschwunden‹?«
»Na ja, was soll das heißen? Er war plötzlich weg. Von der
Bildfläche verschwunden. Nicht mehr da. Was soll ich dir sagen?«
»Die Frage ist: War es ein Verbrechen? Gab es Ermittlungen? Ich
meine, Leute ziehen ja auch mal in eine andere Stadt. Dann sind die auch weg.«
»Ich vermute, dass es Ermittlungen gegeben hat, weiß es aber noch
nicht genau. Also, ein normaler Umzug war das mit Sicherheit nicht. Ich kann
mir schon vorstellen, dass sein Verschwinden damals ein gewisses Aufsehen
erregt hat.«
»Anfang der Neunziger, sagst du«, sagte Rosenblatt nachdenklich.
»Doch, also irgendwas war damals. Wie gesagt, an den Namen erinnere ich mich
beim besten Willen nicht. Aber kann es sein, dass der Typ kein Rechtsanwalt,
sondern Notar war?«
Stamm setzte sich aufrecht hin, legte die Stirn in Falten. »Die
Frage ist nicht schlecht«, sagte er. »Ich bin immer davon ausgegangen, dass er
Rechtsanwalt war. Aber genau weiß ich eigentlich nur, dass er Jurist war. Notar
würde sogar fast besser passen, wenn ich es mir genau überlege.«
»Weshalb interessierst du dich überhaupt für den?«, fragte
Rosenblatt.
»Ich recherchiere da eine Geschichte in Mecklenburg-Vorpommern. Es
sieht so aus, als habe van Wateren dort in den Wirren der Wiedervereinigung ein
krummes Ding gedreht. Offenbar haben damals ein paar gewiefte … nun ja …
Investoren aus dem Westen einen Landkreis in Meckpomm bei der Übernahme eines
Rindermastbetriebs übers Ohr gehauen. Van Wateren war wohl an der Ausarbeitung
des Vertrages beteiligt.«
»Das würde ja passen«, sagte Rosenblatt. »So was ist klassische
Notararbeit … Also nicht das Übers-Ohr-Hauen, normalerweise. Leider kann ich
dir trotzdem nichts dazu sagen. Wie gesagt, ich erinnere mich nur ganz dunkel,
dass da irgendwas war.«
»Tja, schade«, seufzte Stamm. »Dann will ich euch nicht länger
aufhalten. Brecht euch nicht die Knochen!«
Rosenblatt ignorierte die guten Wünsche. »Wenn es allerdings der
ist, an den ich jetzt denke, könnte ich dir jemanden nennen, der vielleicht
etwas mehr weiß.«
Stamms Körperhaltung spannte sich wieder. »Ach ja, das wäre ja fast
mehr, als ich erwartet hatte. Und diesen jemand gibt es noch in der Gegend?«
Rosenblatt gluckste. »Oh ja, ich habe ihn noch vorhin beim Frühstück
gesehen.«
»Ach komm, Lothar«, stöhnte Stamm. »Verarschen kann ich mich
selber.«
»Keine Verarschung. Ich sehe ihn praktisch jeden Morgen. Du übrigens
auch. Oder liest du keine Zeitung?«
»Lothar …«
»It’s the Burgermeister, stupid« , lachte
Rosenblatt. »Wenn ich nicht völlig falsch liege, hat Kostedde mal für dieselbe
Kanzlei gearbeitet wie dieser verschwundene Notar. Die gibt’s übrigens heute
noch, wenn auch ohne Kostedde.«
» RK und Partner?«, murmelte Stamm.
»Hey, ich sehe, du kennst dich aus«, rief Rosenblatt. Seine Laune
war immer besser geworden. »Bevor Kostedde voll in die Politik eingestiegen
ist, hat er seine Brötchen eine Zeit lang als Notarassessor bei Schwiegerpapa verdient.
Und die haben damals wirklich die Ossis ausgenommen?«
»Das versuche ich ja eben herauszufinden. Und was mit diesem van
Wateren passiert ist. Es sieht aber wohl tatsächlich so aus, als hätte van
Wateren in Meckpomm nicht auf persönliche Rechnung gearbeitet. Er ist im Laufe
des Verfahrens abgezogen und durch einen Kollegen ersetzt worden. Warum,
erzähle ich dir mal bei Gelegenheit. Wäre ja ein Ding, wenn das am Ende
Kostedde gewesen wäre.«
Rosenblatt schien es gar nicht mehr eilig zu haben. »Also wenn
dieses Geschäft damals tatsächlich von RK und
Partner abgewickelt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit nicht so klein, dass
Kostedde seine Finger im Spiel hatte.«
»Wieso?«
»Weil bei uns in Düsseldorf Notare dünn gesät sind. Das ist von
Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk verschieden. In Duisburg zum Beispiel kann
jeder Rechtsanwalt auch als Notar zugelassen werden, in Düsseldorf nicht. Frag
mich nicht, warum das so ist, ich hab mal gehört, das hätte noch was mit
Napoleon zu tun. Hier gibt es nur hauptberufliche Notare, die einen
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