Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Fleisch, das ihr esset, und dies ist mein Blut, das ihr trinket.« Und: »Einer von euch wird mich verraten.«
Bei diesen Sätzen rutscht Judas bei Tisch nervös und unruhig auf seinem Stuhl hin und her und sagt:
»Lieber Herr, können wir es nicht machen wie beim amerikanischen Dinner? Jeder bestellt und zahlt für sich selbst?«
Hierher passt wohl am besten folgender Papstwitz:
Bei seinem Jerusalembesuch nähert sich dem Papst ein Mann und sagt zu ihm, dem Stellvertreter Gottes auf Erden: »Ich bin Koch, mein Großvater war Koch.«
Sanft, doch leicht genervt, unterbricht ihn der Heilige Vater: »Und was kann ich für dich tun, mein Sohn?«
»Da alle meine Vorfahren Köche waren, möchte ich wissen: Wann wird endlich die Rechnung für das letzte Abendmahl bezahlt?«
Über die Tatsache, dass die Christen die Juden nicht mögen, andererseits aber ihr Heiland zweifelsohne ein Jude war, hat der Musiker und Schriftsteller Kinky Friedman einen bitteren und, wie ich finde, genialen Witz gemacht:
»They don’t make Jews like Jesus anymore.«
Übersetzt etwa: Juden, die die Qualität von Christus haben, werden heute nicht mehr produziert. Das ist ein Witz, der die Mechanik, die Bergson dem Witz als »movens« attestiert, sehr schön verdeutlicht. Im Prinzip geht es in diesem Satz um den altbekannten Seufzer, dass früher alles besser war. Die Qualität des Essens, die Stoffe der Kleider, das Schuhwerk und die Moral. »Heute«, pflegte mein Großvater schon in den Dreißigerjahren zu sagen, »heute bekommt man kein Kammgarn mehr wie vor dem (Ersten) Weltkrieg.« Das hat Friedman eben ironisch gedreht. Ja, seufzen die Christen heute, wenn die Juden noch so wären wie Jesus damals, dann wäre ja alles okay. Aber diese Qualität bekommt man nicht mehr. Früher, ja früher war alles besser. Die folgenden Sätze sind von Peter Handke und Jürgen Becker. Der eine geht:
»Früher musste man noch nicht von früher sprechen.«
Und: »Früher hörte man noch zu, wenn man von früher erzählte.«
Wie der schwäbische Seufzer lautet: »’s isch nimmer des!«
Der Verfolgte ist immer der Schwächere. Er muss sich gegen die Verfolgung wappnen, er muss ihr ausweichen; da er immer der Unterlegene ist, muss er ihr zumindest geistig Paroli bieten können. David und Goliath ist, so gesehen, der erste jüdische Witz in der biblischen Geschichte. David hat keine Chance, jedenfalls keine körperliche Chance, gegen Goliath, also muss er »gewitzt« sein. Er muss sich eine Schleuder ausdenken, um den dummen Riesen erledigen zu können. In ihrer Geschichte waren die Juden fast immer der David. Gewinnen konnten sie oft nur geistig, nur im Diskurs. Sie hatten das letzte Wort, die Pointe, auchwenn sie dafür umgebracht wurden. Josef Joffe, der Herausgeber der Zeit , hat die jüdischen Witze als »verbale Waffe des Schwächeren« bezeichnet, »der sehr wohl weiß, dass er nicht die physische Macht hat. Zwei Richtungen hat die Aggression des jüdischen Witzes«, so Joffe, »die Selbstironie, die in einer Volte die eigene Überlegenheit zelebriert, und die Dummheit und geistige Unterlegenheit des anderen.« Die Selbstironie, die das Selbstbewusstsein und die Eitelkeit tarnt, auch dafür gibt Joffe ein historisches Beispiel:
Henry Kissinger wurde, nachdem er zum Außenminister ernannt worden war, gefragt, wie er denn genannt werden wolle. Mr. Secretary? Dr. Kissinger? Oder, wie früher, Henry? Kissingers Antwort: »Mir sind protokollarische Fragen egal. Euer Exzellenz reicht völlig.«
Dazu passt die Karl-Kraus-Definition:
»Machen Sie sich nicht so klein. So groß sind Sie gar nicht.«
Mir fällt dazu ein Witz von Hans Mayer ein, dem großen Leipziger Philosophen und Germanisten, der noch zu DDR -Zeiten nach Tübingen emigrieren musste. Mayer erzählte gerne eine Geschichte in folgender Art:
»Neulich war ich Festredner im Theater am Schiffbauer Damm. Und das Haus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Leute sagten, nicht einmal Brecht habe so viele Zuschauer in seinem Theater gehabt.« Übergangslos fuhr Mayer, zu seinem Gesprächspartner gewandt (der in diesem Fall ich war), fort, dass seineVortragsreihe in England eine fast noch größere Beachtung gefunden habe als in Deutschland, wo er sie gehalten hätte. Und dass der Bundespräsident ihm gesagt habe, wenn er nicht schon Professor gewesen wäre, hätte er ihn schon allein wegen dieser Vortragsreihe zum Professor
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