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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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sondern auch den Fremdenverkehr an.
    Ich frage mich an der Stelle, wo man Fischers Fritz in der Realität finden kann. Leider ist kein Ort angegeben.
    Der Freud’sche Versprecher (»Freudian slip«) dagegen, inzwischen ein stehender Begriff des psychoanalytisch gebildeten Publikums und dessen nahe stehenden Verwandten, offenbart etwas Geheimes, Verdrängtes. Er macht durch einen sprachlichen Ausrutscher gewissermaßen klar, wo der Hase im Pfeffer liegt beziehungsweise wo die unterdrückte und geheime Botschaft sich akustisch Bahn bricht. Schillers berühmtes Gedicht »Die Kraniche des Ibykus« könnte ein Lied davon singen, nach der geflügelten Melodie »Sieh da! Sieh da, Timotheus, / Die Kraniche des Ibykus!«. Worauf der sich so Ausplappernde in der Ballade fortfährt: »Doch dem war kaum das Wort entfahren, / Möcht er’s im Busen gern bewahren.« Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Durch diesen »Sieh da!«-Ausbruch werden die beiden Straßenräuber des Mordes überführt.
    Ganz so ernst war der kleine politische Zwischenfall, den unsere Kanzlerin verursachte, nicht. Aber jeder erinnert sich an die Rivalitäten, welche die Frau an Deutschlands Spitze mit selbst ernannten oder gewünschten Erbprinzen hatte. Dazu gehörten Wulf, Merz, Seehofer und Koch. Die sind längst, wie Guttenberg, eine Fußnote der Geschichte. Dennoch gab es einen schönen Versprecher, festgehalten für ewig auf YouTube, als die Kanzlerin den scheidenden Ministerpräsidenten Hessens, Roland Koch, mit »Lieber Roland Kotz, Koch« begrüßte. Hier wurde offenbar, dass der kluge und mächtige Roland K. für sie, zumindest heimlich, ein echter Kochbrocken war.
    Wechseln wir die Szenerie. Begeben wir uns in ein britisches Pub, der typischen Domäne frustrierter Männer, die ihr gedemütigtes Unterbewusstes bei einem gemeinsamen Bier dämpfen. Die Geschichte, die hier spielt, ist ein Witz im Witz und hat insofern einen besonderen atmosphärischen Reiz. Merke: Wo vier oder fünf Männer miteinander saufen, ist Freud nicht weit.Freud selbst hat übrigens für zotige Witze bemerkt, dass die Anwesenheit einer drallen Schankkellnerin eine Männerrunde beflügelt. Auch zu Fehlleistungen. Hier in dem Pub spielt sich Folgendes ab:
     
    Vier oder fünf Stammtischbrüder sitzen vor beziehungsweise hinter ihrem Bier, und einer steht auf, um, wie in England üblich, ein paar Portionen Crisps zu holen. Er geht also an die Theke und bestellt »Crisps«. Dann kommt er mit den Crisps zurück und sagt:
»Stellt euch vor, was mir passiert ist. Hinter der Theke stand eine Kellnerin mit einem gewaltigen Busen, und ich musste beim Bestellen darauf schauen, und so sagte ich anstatt ›I want to order five portions of crisps‹: ›I want to order five portions of tits.‹«
Die Freunde nicken lachend, als er das erzählt, und einer sagt: »Ein typischer Freud’scher Versprecher. Das ist mir neulich zu Hause mit meiner Frau auch passiert. Wir sitzen gemeinsam beim Frühstück, und ich will zu ihr sagen: ›Would you please pass me the margarine, darling?‹ And instead I ended: ›You ruined my life, you fat, lazy bitch.‹ Also auf gut Deutsch: Ich wollte sagen: ›Könntest du mir bitte die Margarine herüberreichen, mein Liebling?‹ Stattdessen sagte ich: ›Du hast mein Leben zerstört, du fettes, faules Luder!‹«
     
    Mit dieser Freud’schen Fehlleistung hat die Sprache ein gewaltiges Verdrängungspotenzial aufheben müssen.
    Auch an eine Geschichte aus den Achtzigerjahren erinnere ich mich gern, damals, als das Fernsehen am Samstag noch die gesamte Familie (Urahne, Großmutter, Mutter, Vater und Kind) am Bildschirm versammelte. Es war die Zeit, als Frank Elstnerdas von ihm erfundene Wetten, dass..? noch selbst moderierte. Loriot bekam 1984 den Erich-Kästner-Preis verliehen, und ich war der von ihm gewünschte Laudator.
    An einem Sonntagmorgen in München begrüßte Willi Daume, der Sportpräsident und Präsident der Kästner-Gesellschaft, eine hochkarätige Versammlung bayerischer Honoratioren, den verehrten Herrn Kultusminister, auch als Vertreter des hochverehrten bayerischen Ministerpräsidenten, den sehr verehrten Münchner Oberbürgermeister und den ebenso hochverehrten Kulturdezernenten und »meine sehr verehrten Damen und Herren«. Natürlich hat er auch Loriot als »Herrn Vicco von Bülow« herzlich begrüßt – und auch mich. Ich war damals Redakteur beim Spiegel , und der Ruf des Hamburger Nachrichtenmagazins war, um es vorsichtig

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