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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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auszudrücken, in München nicht unangefochten. Noch bebten die Kämpfe zwischen Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß nach, die Augstein vorübergehend ins Gefängnis und Strauß endgültig um das Verteidigungsministerium brachten. Und so sagte Daume, als er sich zu mir wandte: »Ich begrüße auch den Laudator, Dr. Hellmuth Karasek vom« – er machte eine Pause – »sagen wir es ruhig, vom, äh, Spiegel .« Spiegel klang sehr leise und sehr gequält, so als hätte er vor der Nennung des Spiegels eine Hürde nehmen müssen – wie ein Pferd, das vor einem Hindernis zögert, ehe es tapfer darüber hinwegspringt. Wobei eine solche Hürde und Barriere für das Ross wie für den Reiter dieselbe Schwierigkeit darstellt, die den Freud’schen Versprecher hervorruft.
    So sprach ich in meiner Laudatio von einer Sendung, in der Elstner auch einen solchen, sagen wir es ruhig: »Äh-Fall« vor sich hatte. Er hatte nämlich einen Mann zu Gast, der sämtliche Vogelstimmen, also Amsel, Drossel, Fink und Star, erkennen konnte. Und Elstner hatte in der großen Familien-Livesendung damals berechtigte Angst vor dem Plural des Vogels, den Vögeln. Was da alles, rein sprachlich, in einer Livesendung passieren kann! Tja. Und um also den gefährlichen, weil missverständlichen Plural zu vermeiden, sprach er statt von den »Vögeln« von »unseren gefiederten Freunden«. Also, der Mann hatte gewettet, dass er sämtliche Stimmen von »unseren gefiederten Freunden« erkennen könne: Tirili! Twitt-twitt! Kuck-kuck! Ruckedigu! Alle Vogelstimmen. Das war für mich ein Beispiel für Loriots explosiven Pannen-Benimmregel-Humor: »Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti nur noch saugen kann.« Denn jedes Mal, wenn Elstner wieder »unsere gefiederten Freunde« sagte, hatte ich gedacht: »Warum spricht er nicht von Vögeln?« Und die ständig wiederholten »gefiederten Freunde« waren zu einer Serie von Unanständigkeiten geworden. Ich konnte seit der Zeit nichts mehr von »gefiederten Freunden« hören, ohne schmutzige Gedanken zu haben. Für mich waren die »gefiederten Freunde« die Prunkvögel des psychopathologischen Witzes.
    Jahre später, als ich eine Kurzlaudatio auf Loriot zum Deutschen Videopreis hielt, habe ich mich daran erinnert und ihn folgendermaßen begrüßt, gelobt und gefeiert: »Sehr verehrter Herr Vicco von Bülow, Sie hätten mit Ihrem adligen Namen, Ihren tadellosen Manieren, Ihrer gepflegten Erscheinung, Ihrem würdig weißen Haar, der gut sitzenden Fliege und dem exakten Einstecktuch Honorarkonsul, Kommerzienrat, Botschafter, Minister, ja sogar Bundespräsident werden können. Und was machen Sie?«, schleuderte ich ihm entgegen, »Sie kleben sich stattdessen eine Nudel ins Gesicht. Schämen Sie sich!«
    Vicco von Bülow ist für mich der Meister der Fehlleistung und des geplanten Freud’schen Versprechers. Man muss da nur an den Streit zweier Ferienfreunde um den letzten Kosakenzipfel denken.
    Dieselbe Rolle, wie sie die »gefiederten Freunde« für die Vögel spielen, nehmen in gedruckten Texten oft die …-Auslassungen ein, wobei sich Boulevardzeitungen gern besonders schamhaftgeben. »Sie können mich am A… lecken, Sie Sch…kerl«, sagte er, und sein Freund antwortete: »Ach, f… Sie sich doch ins Kn…«. Im amerikanischen Fernsehen, das viel stärker unter der Fuchtel der moralischen Selbstkontrolle von Frauen- und Kinderschützern steht, ist es der Beeper, der in manchen Sendungen die Rolle der Vögel spielt, die nicht zwitschern dürfen, dafür Beep-Töne von sich geben.
    Es gibt in kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen Wellenbewegungen. War es in den Jahren nach 68 geradezu Pflicht, auch in hochseriösen Kulturteilen der Zeitungen Four-Letter-Words ohne Buchstaben unterzubringen – man musste seine unerschrockene Liberalität ja dokumentieren –, so ist in gewisser Weise inzwischen wieder die Stimmung des kindlichen Nachtgebets eingezogen, die da lautet: Prüde bin ich, geh zur Ruh, schließe meinen Wortschatz zu, / Vater, lass die Pünktchen dein, / auch in meinem Hirne sein.
    Mir ist dazu ein Witz aus alten Tagen erinnerlich, der im Vorkriegs-Berlin spielt und den ich im Jahre, sagen wir, 1970 ohne Pünktchen wiedergegeben hätte.
     
    Eine vornehme Dame sitzt mit ihren beiden kleinen Kindern, Tochter und Sohn, in einer Zirkusvorstellung, als die Clowns auftreten und sich folgendes Wortscharmützel liefern:
Sagt der eine: »Ich weiß, wo eine Frau am reizvollsten ist.«
Sagt der

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