Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Billy Wilder erzählt hat.
Ein junges, heftig verliebtes Paar hat noch nie Gelegenheit gefunden, allein in einem geschlossenen Raum zu sein. Immer nur drücken sie einander im Riesenrad, im Autoscooter, auf einer einigermaßen verborgenen Parkbank, knutschen im Dunkel des Kinos, halten Händchen im Café. Natürlich wird die Sehnsucht und Begierde nach Zweisamkeit immer größer. Das Mädchen entwickelt schließlich einen Plan. Sie sagt zu ihrem Freund:
»Du, ich werde dafür sorgen, dass dich meine Eltern für den nächsten Sonntag einladen, um dich ihnen vorzustellen. Du kommst, bringst meiner Mutter Blumen mit und meinem Vater eine Zigarre. Wir werden zusammen mittagessen, danach einen Kaffee trinken. Und dann wird passieren, was jeden Sonntag passiert: Meine Eltern werden mich (und diesmal auch dich) fragen, ob wir mit ins Kino wollen. Ich werde sagen, dass ich Migräne habe und zu Hause bleiben will. Dann werden sie dich fragen, ob du Lust hättest, mit ins Kino zu kommen. Und du wirst sie fragen, welcher Film läuft. Und mein Vater wird sagen« (sie schaut in die Zeitung), »ja, ›Vom Winde verweht‹ . Und dann wirst du sagen, dass du den Film schon gesehen hast. Leider. Und dann werden sie allein ins Kino gehen. Und wir werden endlich allein für zwei Stunden in meinem Zimmer sein.«
Der nächste Sonntag kommt. Der junge Mann kommt zur erwarteten Stunde. Punkt halb eins. Er streckt derMutter seinen Nelkenstrauß entgegen, dem Vater die Zigarrentube. Man lernt sich kennen, man plaudert, man isst, man trinkt Kaffee. Und dann ist es so. Der Vater stellt die erwartete Frage:
»Wollt ihr mit ins Kino?«
Die Tochter verzieht ein übertrieben verquältes Gesicht: »Leider habe ich furchtbare Kopfschmerzen.«
Der Vater wendet sich dem jungen Mann zu: »Und wie ist es mit Ihnen, Bob?«
Plangerecht fragt der Freund: »Was läuft denn heute?«
Und der Vater antwortet wie erwartet: »Vom Winde verweht.«
Und jetzt geschieht etwas Unerwartetes, vom »Drehbuch« Abweichendes. Der junge Mann sagt, erfreut: »Oh, da komme ich gerne mit. Über den Film habe ich schon sehr viel Gutes gehört. Prima. Den will ich gern sehen.«
Was war passiert? Der junge Mann hatte in dem Vater beim Eintreten in die Wohnung den Drogisten erkannt, bei dem er am Vortag eine Packung Präservative gekauft hatte.
Ehe ich zur zweiten Geschichte komme, möchte ich eine kurze und knappe Geschichte aus der seligen guten alten Kintopp-Zeit erzählen, wenn es im Kino auf einmal dunkel wurde, sodass ich manchmal dachte: Verdämmert das Licht, weil der Film beginnt, oder schwinden mir gerade die Sinne in einer Ohnmacht?
Also: Im Kino wird es dunkel. Plötzlich hört man im Dunkel eine energisch flüsternde Frauenstimme:
»Nehmen Sie sofort Ihre Hand weg!«
Sehr kurze Pause.
»Nicht Sie! Nicht Sie!«
Dieser Witz beleuchtet im Kino-Dunkel zwei Erfahrungen im Spiel der Liebe. Die erste: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Und die zweite: Obwohl der Mann scheinbar derjenige ist, der anfängt, ist es immer die Frau, die das Spiel beginnt, dazu einlädt, es erlaubt.
Die Geschichte von dem Indianerjungen spielt scheinbar vor, oder besser: neben allen zivilisatorischen Errungenschaften bei der Liebe.
Der kleine Indianerjunge fragt seine Mutter:
»Du Mutter, warum heißt meine älteste Schwester eigentlich ›Der Mond glänzt über dem Maisfeld‹?«
Die Mutter lächelt versonnen und antwortet: »Weißt du, als dein Vater und ich uns vor vielen Jahren einmal sehr lieb hatten, da glänzte der Vollmond hell über dem Maisfeld. Und neun Monate später kam ›Der Mond glänzt über dem Maisfeld‹ zur Welt, deine älteste Schwester.«
»Aha«, nickt der Kleine. »Und warum heißt meine zweite Schwester ›Sommergewitter am Birkenhain‹?«
Wieder lächelt die Mutter glücklich in sich hinein. »Ja, weißt du, als dein Vater, es war vor zwölf Jahren, einmal in der schwülen Mittagshitze am Birkenhain mit mir saß, zog ein schweres Gewitter auf. Und während des Gewitters liebten wir uns lang und heftig. Und neun Monate später schenkte uns der große Manitu deine Schwester ›Sommergewitter am Birkenhain‹.«
Die Mutter träumt einen Augenblick dem Namen ihrer zweiten Tochter nach, dann schreckt sie auf und sagt zu ihrem Sohn:
»Aber warum fragst du, ›Geplatzter Gummi‹?«
Auffällig an dem Witz ist nicht nur, dass er im Zeitalter der Präservative spielt, sondern auch in der Zeit, als auch
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