Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Paris-Heimkehrer und wurde auf einmal traurig. »Ja dann, dann war alles genau so wie in Komotau.«
Man kann dem Witz eine gewisse melancholische Einsichtigkeit nicht absprechen, obwohl er auf die Moral hinausläuft: Bleibe im Lande und nähre dich redlich!
Die Geschichte von dem jungen Engländer spielt ebenfalls in der Hauptstadt der Sünde, in Paris.
Ein junger Engländer, der aus den besseren Kreisen stammt, kommt ebenfalls nach Paris. Es ist Frühling, die Sonne scheint, er sitzt in einem eleganten Café, zwei Tische von einer ebenfalls allein sitzenden, auffällig reizvollen jungen Dame entfernt. Nach und nach entwickelt sich ein Blickspiel, das immer feuriger wird. Schließlich lässt sich die Dame Papier und Feder bringen, schreibt einen Brief, steckt ihn in ein Couvert, verschließt es, bittet den Ober um die Rechnung, zahlt, geht, nicht ohne dem jungen Mann noch einen tiefen Blick zuzuwerfen.
Kaum ist sie weg, bringt der Ober ihm den Brief und sagt: »Madame«, er deutet auf ihren inzwischen leeren Tisch, »hat ihn mir für Sie übergeben.«
Der junge Mann bestellt einen weiteren Kaffee, einen Cognac, reißt mit aufgeregten Fingern den Brief auf, versucht ihn zu lesen, sieht aber, dass der Brief auf Französisch geschrieben ist, eine Sprache, die er leider nicht beherrscht.
Er wendet sich an den Ober, gibt ihm ein generöses Trinkgeld und bittet ihn, den Brief zu übersetzen.
Der Ober überfliegt den Brief, runzelt die Stirn und sagt ernst, dass er alles tun werde, aber nur nicht diesen Brief zu übersetzen. »Nein, mein Herr, das kann und will ich nicht.«
Der junge Lord wird ärgerlich, bittet, der Ober möge ihm den Geschäftsführer rufen. Und als der diensteifrig herbeieilt, erzählt er ihm empört vom unverschämten Verhalten des Kellners.
Der Geschäftsführer greift sich den Brief, liest ihn, runzelt ebenfalls die Stirn und sagt dann: »Mein Herr, ich verstehe meinen Kellner. Auch ich werde Ihnen keine Zeile aus diesem Brief übersetzen. Ich kann Sie nur bitten, umgehend das Café zu verlassen. Sie brauchen auch nicht zu zahlen.«
Der Engländer steht verärgert, mit wütender Neugier, auf, steckt den Brief ein und eilt schnurstracks zur britischen Botschaft, an der ein Freund von ihm als Sekretär tätig ist. Der Freund begrüßt und umarmt ihn, und nachdem sie Freundlichkeiten und Neuigkeiten ausgetauscht haben, kommt der Besucher zur Sache.
»Stell dir vor, was mir, ich bin noch keinen Tag in Paris, passiert ist.« Und er erzählt die Geschichte von der schönen Fremden, dem Brief und was ihm damit im Café mit dem Kellner und dem Geschäftsführer widerfahren sei. »Da«, sagt er zu seinem Freund, »hierist der Brief.« Und reicht das ominöse Schreiben dem Botschaftssekretär.
Der studiert den Brief. Auch er mit mehr und mehr gerunzelter Stirn. Als er ihn zu Ende gelesen hat, sagt er: »Mein lieber Freund! Die Sache ist wirklich ernst. Und dieser Brief hat es in sich. Da du mir aber lieb und vertraut bist, werde ich dir eine schriftliche Übersetzung anfertigen. Warte hier auf mich.« Er verlässt das Büro, geht in ein Nebenzimmer, kommt nach einigen Minuten zurück. In der Hand ein Couvert. Ein geschlossenes Couvert.
»Hier«, hebt er an, »mein lieber Freund, habe ich den Brief und seine Übersetzung. Es ist mir nicht leichtgefallen, aber ich habe es für dich getan. Du musst mir nur eins versprechen! Dass du Paris sofort verlässt, also das Schiff nach Dover nimmst. Und dass du diesen Umschlag erst außerhalb der Fünf-MeilenZone auf hohem Gewässer öffnest.«
Der Engländer verspricht es, Paris ist ihm ohnehin nach dem Frust dieser Erlebnisse verleidet. Und reist ab. Als er auf dem Schiff nach England ist und die hohe See erreicht hat, wankt er mit dem Brief ans Oberdeck, denn das Meer ist stürmisch bewegt. Er ist allein, keine Seele um ihn. Er blickt sich vorsichtig spähend nach allen Seiten um, zieht den Brief aus seiner Brusttasche, reißt ihn ungeduldig auf, hat endlich Brief samt Übersetzung in der Hand, als eine Böe die Papiere ergreift und sie hoch mit sich fortreißt, über die Reling zum Nimmerwiedersehen.
Was soll ich Ihnen erzählen? Der junge Engländer weiß bis heute nicht, was in diesem Brief gestanden hat.
Wir wissen es leider auch nicht. Man könnte sagen, dass dieseGeschichte ein geschriebener und erzählter Interruptus ist. Man weiß auch schnell, dass nach dieser Geschichte kein Text so stark sein könnte, dass er die Erwartungen nicht
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