Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
bei den Witzindianern die Bevorzugung eines Stammhalters aufgehört hatte. Oder überinterpretiere ich das, dass ausgerechnet der erste Sohn ein sogenannter Betriebsunfall ist? Bestimmen konnte man allerdings das Geschlecht des Kindes (noch) nicht. Und vorausplanen nur mit seltsam dubiosen Methoden. Mädchen waren da die Früchte besonders häufiger geschlechtlicher Ausübungen. Oder war es umgekehrt? Egal. Schwangeren attestierte man, wenn ihre Haut besonders prächtig und gesund wirkte, das werde ein Junge. Oder war es auch hier umgekehrt?
Was das Präservativ anbetrifft, so schien seine Zeit auch wegen des Penicillins, das die Syphilis besiegt hatte, abgelaufen. Aber es kehrte wieder. Im Aids-Zeitalter. Dem wirklich alten, 1906 geborenen Wilder kamen damals im Gespräch zwei komische Gedanken, als er vom pädagogischen Kampf für Präservative gegen Aids hörte, deren Benutzung in der Schule propagiert wurde.
»Komisch, als ich in Wien aufs Gymnasium ging, wäre ich von der Schule geflogen, hätte man ein Präservativ bei mir gefunden.«
Und die zweite Geschichte:
Als sein Freund David Hockney einmal ins Krankenhaus kam. »Komisch, ich dachte erschrocken, hoffentlich ist es nur ein Herzinfarkt!«
Weil er bei der Homosexualität des britischen Malers natürlich zuerst sofort an das damals noch ausweglos zum Tod führende Aids gedacht hatte.
Zu der Zeit, als Präservative wieder »in« waren, weil sie die Gesundheit von Freelancern der Liebe, Fremdgehern und Seitenspringern in der Liebe vor großen gesundheitlichen Risiken schützten, zu der Zeit, als freie Liebe, One-Night-Stands, Treffen in Darkrooms wieder »out« waren, weil man mit dem kurzen, scheinbar folgenlosen Abenteuer sich einer Art Abenteuerurlaub mit letalem Ausgang aussetzte, zu dieser Zeit spielt die Geschichte vom besorgten Ehemann und seiner kränkelnden Frau.
Aids war nach 1981 und vor allem in den Neunzigerjahren aus einer »Außenseiter«-Krankheit unter sexuell vagabundierenden Homosexuellen in die bürgerliche Gesellschaft eingewandert, hatte sie, als tödliche Bedrohung, infiltriert. Es war eine Krankheit, an der Rock Hudson starb und für deren Bekämpfung sich Liz Taylor einsetzte. Es war die Zeit der Aids-Galas und Rockkonzerte für Mittel und für Aufklärung im Kampf gegen Aids. Vorbei die Zeiten, in denen Geschichten von One-Night-Stands zwischen Schwulen, zwischen Bisexuellen am Rand des Rotlichtmilieus kursierten.
Zwei Fremde hatten sich für ein Liebesabenteuer getroffen und in einem Hotel miteinander geschlafen. Am Morgen wacht das gutbürgerliche Greenhorn, das auf einer Geschäftsreise zu einem Kongress in L. A. war, nach einer Suff-Nacht in Las Vegas auf. Der Partner ist verschwunden, das Bett neben ihm leer. Dumpf im stechenden Licht des Vormittags, das den Alleinliegenden aus dem Schlaf und in den Kater treibt, schaut sich der Übriggebliebene des nächtlichen Sex-Zweikampfs um, weiß den Namen des verschwundenen Partners nicht und liest auf dem Badezimmerspiegel, als er (oder sie) sich auf den Weg unter die Dusche macht, die mit Lippenstift hinterlassene Botschaft: »Welcome to the Club«.
Ein zynischer Willkommenswitz im Reich der künftigen Toten. Es war die Welt R. W. Fassbinders, die Welt Freddie Mercurys, der englisch-amerikanischen Pop-Musikszene, die sich solche tödlichen Scherze leistete, den Sex auf des Messers Schneide.
Der Witz zeigt aber auch, dass Aids hier (zumindest als Bedrohung) schon die Welt der leitenden Angestellten, der Top-Kräfte in der Werbe-, der Filmindustrie und der Medien erreicht hatte.
Hier die Geschichte:
Ein Ehepaar in Hollywood, die Frau kränkelt eine geraume Zeit vor sich hin, ehe es dem Mann zu viel wird. Er macht sich Sorgen, er möchte Klarheit. Er möchte einen Arzt zu Rate ziehen, seine Frau gesund wissen.
Als sie wieder einmal schon am Morgen ermattet ist, schwach und antriebslos, sagt er zu ihr:
»Du, Liebling, so geht es nicht weiter. Ich habe einen Arzttermin für dich ausgemacht. Noch morgen Vormittag bringe ich dich zu einer Diagnostik-Klinik, die einen hervorragenden Ruf hat. Ein Team erfahrener Spezialisten arbeitet da zusammen. Wir sollten nicht länger zögern. Wahrscheinlich ist ja alles nicht so schlimm. Aber wir wollen wissen, was dir fehlt.«
Sie fahren in die Klinik mit angeschlossenem Laboratorium. Sie unterwirft sich diversen Tests, Unternehmungen, ihr wird Blut abgenommen, ihr Urin wird untersucht, ihr Kot einem
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